Prof. Dr. Michael Stürner
I. Billiges Ermessen.
Rn 14
Soll die Bestimmung (wie nach I im Zweifel) billigem Ermessen entsprechen und tut sie das nicht, so ist sie nach III 1 für den anderen Teil unverbindlich. Nach hM (etwa BAGE 18, 54, 59 [BAG 16.12.1965 - 5 AZR 304/65]; MüKo/Würdinger Rz 54; aA Boecken FS Fezer [16], 377) bedeutet die Unverbindlichkeit aber nicht automatisch die Unwirksamkeit. Vielmehr soll der Bestimmungsgegner nach III 2 eine abw gerichtliche Bestimmung herbeiführen können; erst das daraufhin ergehende Gestaltungsurteil soll die unbillige Bestimmung unwirksam machen. Für diese dem Gesetzeswortlaut eher fremde Ansicht spricht, dass sonst ein regelungsloser Zeitraum entstünde. Mit einem Vertragsangebot, bei welchem die Vertragsgebühr dem anderen Teil zur Bestimmung nach billigem Ermessen überlassen ist, wird zumindest die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, die Vereinbarung abzuschließen (Karlsr GRURPrax 21 Rz 51). Zur Billigkeitskontrolle von Netzentgelten Grüneberg GRUR 21, 216; zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen Hempel ZIP 07, 1196.
Rn 15
Doch wird diese Annahme einstweiliger Wirksamkeit wesentlich korrigiert: Der Beklagte soll sich gegen eine vom Kläger unbillig bestimmte Forderung wehren können, ohne dass diese Forderung zunächst gerichtlich herabgesetzt worden wäre; das Gericht weist dann die Klage ab, soweit es nach III 2 selbst korrigiert hätte (BGH NJW 00, 2986); es gestaltet also inzident. Entspr kann der Kläger, dem ggü der Beklagte unbillig bestimmt hat, die für billig gehaltene Leistung einklagen. Auch hier gestaltet das Gericht inzident, indem es das von ihm für billig Gehaltene zuspricht (BGHZ 41, 271, 280). Daneben bleibt freilich die Möglichkeit für den Bestimmungsgegner, die gerichtliche Bestimmung unabhängig von einer Leistungsklage vorsorglich herbeizuführen.
II. Verzögerung.
Rn 16
Wird die Bestimmung durch den Berechtigten verzögert, führt das nach III 2 am Ende gleichfalls zu einer gerichtlichen Entscheidungsbefugnis. Dabei erfordert die Verzögerung keinen Schuldnerverzug iSv § 286. Vielmehr genügt, dass die Bestimmung durch den Berechtigten nicht innerhalb einer objektiv angemessenen Zeit erfolgt (BGHZ 74, 341, 345). Eine Mahnung durch den anderen Teil ist zwar unnötig, kann aber die für das Abwarten nötige Zeit abkürzen.
III. Der Inhalt der gerichtlichen Leistungsbestimmung.
Rn 17
Die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach III 2 beruht auf dem Vorbringen der Parteien. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht nicht, doch trifft jede Partei eine Obliegenheit, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen (BAGE 156, 38 [BAG 03.08.2016 - 10 AZR 710/14] Rz 30; BAG NZA 22, 261 [BAG 08.09.2021 - 10 AZR 11/19] Rz 34). Inhaltlich entspricht die gerichtliche Bestimmung nicht dem, was der Bestimmungsberechtigte hätte tun können. Denn der diesem zustehende Ermessensspielraum (Rn 11) wird dem Gericht weithin versagt. Vielmehr soll sich dieses ›tunlich in der Mitte halten‹ (so die Formulierung von Larenz; s MüKo/Würdinger Rz 40 mN; im Ergebnis auch BGHZ 94, 98, 104 für die Vergütung eines Immobilienmaklers; s.a. Celle WRP 15, 475 Rz 26; Karlsr GRUR-RR 16, 92 für Vertragsstrafe). Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich mithin dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BGH RdE 15, 194 Rz 2). Ein Nachbesserungsrecht besteht jedoch nicht (Hamm 14.5.20 – 4 U 111/19, juris Rz 5). Zur Billigkeitskontrolle von Gaspreisen BGH RdE 16, 305 Rz 80 ff. Die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung eines unter Vorbehalt gezahlten Netznutzungsentgelts beginnt mit der Zahlung und nicht erst mit der gerichtlichen Bestimmung des billigen Entgelts nach III, BGH RdE 09, 377 [BGH 23.06.2009 - EnZR 49/08]. Zur Billigkeitskontrolle hinsichtlich Homeoffice Schwarz NZA-RR 21, 633; zur Billigkeitskontrolle bei einer Hinterbliebenenversorgung Hamm MDR 22, 40 [OLG Hamm 14.07.2021 - 8 U 119/20].
IV. Beweislast.
Rn 18
Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Billigkeit liegt bei demjenigen, der das Bestimmungsrecht in Anspruch nimmt (BGHZ 115, 311, 322; BGHZ 165, 336, 343). Zusätzlich beweisen muss er ggf, dass ihm mehr Spielraum eingeräumt worden ist als das nach I im Zweifel gewährte billige Ermessen (s.o. Rn 12). Das gilt auch bei der Anwendung von § 315 III gegen Monopolunternehmen der Daseinsvorsorge (Rn 3) für die Angemessenheit der Bestimmung ›kraft Sachnähe‹.
Rn 19
Abweichendes gilt dagegen für eine Rückforderungsklage (BGHZ 154, 5, 8 f; BGH NJW 14, 3089 Rz 16 ff): Allerdings muss der Bereicherungsgläubiger, dem insoweit der Beweis einer negativen Tatsache obliegt, nicht jeden theoretisch denkbaren Rechtsgrund für die erbrachte Leistung ausschließen. Es genügt vielmehr der Beweis, dass der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht; diesen trifft eine erweiterte Behauptungslast, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während er selbst über ...