Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) 1Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. 2Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
A. Funktion.
Rn 1
§ 319 berücksichtigt, dass die Leistungsbestimmung durch einen nicht betroffenen Dritten weniger bedenklich ist als diejenige durch eine betroffene Vertragspartei selbst. Daher soll nach I 1 (anders als nach § 315 III 1) die Bestimmung nur dann unverbindlich sein, wenn sie offenbar unbillig ist. Auch soll dem Dritten ein Bestimmungsrecht nach freiem Belieben eingeräumt werden können, II.
B. Einzelheiten.
Rn 2
Offenbare Unbilligkeit liegt (wie beim Schiedsgutachten, vgl § 317 Rn 3) nur dann vor, wenn ›die Leistungsbestimmung in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt‹ (BGH NJW 91, 2761 [BGH 26.04.1991 - V ZR 61/90]). Es muss sich um eine erhebliche Abweichung von dem für richtig gehaltenen Ergebnis handeln. Eine Abweichung von ca 18 % erfüllt dieses Erfordernis nicht (BGH LM § 317 BGB Nr 8).
Rn 3
Eine offenbar unbillige Bestimmung kann nach I 2 durch Urt ersetzt werden. Hierfür gilt Entspr wie für § 315 III 2 (§ 315 Rn 14 ff). Auch können Schadensersatzansprüche aus Werkvertrag gegeben sein (BGH NJW 13, 1296 [BGH 17.01.2013 - III ZR 10/12] Rz 18). Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters einer GbR kann vom angerufenen Gericht – ggf mit sachverständiger Hilfe – festgelegt werden, wenn die hierzu verpflichtete Gesellschaft die Benennung eines Schiedsgutachters und die Einholung des Gutachtens über einen außerhalb objektiv angemessenen Zeitraum pflichtwidrig unterlässt, BGH NJW-RR 11, 1059 [BGH 07.06.2011 - II ZR 186/08].
Rn 4
Bei einer (gefährlichen) Ermächtigung zu einer Leistungsbestimmung nach freiem Belieben (s § 315 Rn 13) kann diese nicht durch Urt ersetzt werden, weil die Parteien sich hier gerade dem Dritten anvertrauen wollten. Doch kann auch diese Bestimmung nach § 134 oder § 138 nichtig sein. Dann oder wenn die Bestimmung durch den Dritten unmöglich ist (zB der Dritte ist gestorben) oder verzögert wird (s § 315 Rn 16), ist nach § 139 im Zweifel der ganze Vertrag mit der nicht wirksam bestimmten Leistung unwirksam.