Prof. Dr. Martin Schöpflin
I. Versammlungsleitung.
Rn 7
Die Satzung muss bestimmen, wer die Versammlung leitet. Fehlt es daran, kann die Mitgliederversammlung einen Leiter wählen, andernfalls ist der Vorstandsvorsitzende oder ein vom Vorstand gewähltes Vorstandsmitglied zuständig (BeckOK/Schöpflin Rz 18). Der Versammlungsleiter muss für den ordnungsgemäßen Ablauf, insbes die korrekte Beschlussfassung sorgen. Ihm obliegt die Eröffnung und Schließung der Versammlung, die Bekanntgabe der Tagesordnung, die Leitung der Beschlussfassung, die Begrenzung der Redezeit, der Ausschluss von Störern (Reichert/Scheuch Kap 4 Rz 740 ff). Er kann die Versammlung auch schließen, wenn die Tagesordnung noch nicht erschöpft ist (KG OLGZ 90, 316, 318). Fehler sind gerichtlich nur geltend zu machen, wenn die Wirksamkeit des Beschlusses angegriffen wird. Bei eigener Kandidatur oder sonstigen Interessenkollisionen kann der Leiter die Leitung auf einen Dritten übertragen (Köln Rpfleger 85, 447).
II. Beschluss, Stimmabgabe, Stimmrecht, Beschlussfähigkeit.
Rn 8
Während die Stimmabgabe des Mitglieds eine Willenserklärung darstellt, handelt es sich beim Beschl um einen Akt körperschaftlicher Willensbildung (Gesamtakt), der auch für die nicht zustimmenden Vereinsmitglieder wirkt (Soergel/Hadding Rz 21). Auf die Stimmabgabe finden die allg Vorschriften (§§ 105 ff) Anwendung. Daher wird sie mit der Wahrnehmung durch die anderen Mitglieder oder den Versammlungsleiter wirksam (BayObLG NJW-RR 96, 524 [BayObLG 07.12.1995 - 2Z BR 72/95]). Die Stimmabgabe eines Geschäftsunfähigen ist nichtig (§ 105), die eines Minderjährigen wird idR von der Zustimmung zum Vereinsbeitritt gedeckt sein (Soergel/Hadding Rz 26). Ist der Betreute nicht geschäftsunfähig und kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, bleibt er stimmberechtigt (Wüstenberg BtPrax 05, 138, 139). Das auf der Vereinsmitgliedschaft beruhende Stimmrecht ist nicht übertragbar (§ 38) und grds persönlich auszuüben, doch kann die Satzung eine Bevollmächtigung zulassen (§§ 38, 40). Stimmbindungsverträge sind grds zulässig, ein Verstoß führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Stimmabgabe (Soergel/Hadding Rz 23). Ist eine Stimmabgabe nichtig, zählt sie als Enthaltung (NK-BGB/Heidel/Lochner Rz 21).
Rn 9
Verlangt die Satzung für die Beschlussfähigkeit keine bestimmte Anwesenheitsquote (Quorum), kann bereits ein anwesendes Mitglied einen wirksamen Beschl fassen (Reichert/Scheuch Kap 2 Rz 761). Sieht die Satzung falls das Quorum nicht erreicht wird, für eine neue Mitgliederversammlung ein geringeres oder gar kein Quorum vor, kann sie bereits eine mit der Einladung zur ersten Versammlung verbundene Eventualeinladung gestatten (BayObLG NJW-RR 02, 1612 [BayObLG 18.09.2002 - 3 Z BR 148/02]), in der auf das geringere Quorum hinzuweisen ist (Grüneberg/Ellenberger Rz 6).
III. Abstimmung und Mehrheit.
Rn 10
Sieht die Satzung keine bestimmte Form der Abstimmung vor, wird sie durch die Mitgliederversammlung und, wenn diese nicht entscheidet, durch den Versammlungsleiter bestimmt (BeckOK/Schöpflin Rz 25). Bei Widerspruch eines Vereinsmitglieds entscheidet die Mitgliederversammlung (Grüneberg/Ellenberger Rz 7). Es besteht grds auch bei potenziellen Beeinträchtigungen nicht ohne Weiteres ein Anspruch des Mitglieds auf geheime Abstimmung, vielmehr obliegt die Entscheidung darüber der Mitgliederversammlung (vgl Frankf npoR 19, 12; Reichert/Scheuch Kap 4 Rz 869). Das Wiederaufgreifen bereits erledigter Tagesordnungspunkte muss die gesetz- und satzungsmäßigen Verfahrenserfordernisse und das Recht der Mitglieder auf Teilhabe wahren (KG GRUR-RR 11, 280).
Rn 11
Wahlen müssen Chancengleichheit gewährleisten. Über die Kandidaten ist einzeln abzustimmen, wenn nicht die Satzung Block- oder Listenwahlen gestattet (Zweibr NZG 13, 1236 [OLG Zweibrücken 26.06.2013 - 3 W 41/13]), das Einverständnis der Mitgliederversammlung genügt nicht (KG Rpfleger 12, 550 [KG Berlin 30.01.2012 - 25 W 78/11]; Bremen NZG 11, 1192 [OLG Bremen 01.06.2011 - 2 W 27/11]). Allerdings ist die satzungsmäßig nicht vorgesehene Blockwahl wirksam, wenn der Verfahrensverstoß für die Mitgliederrechte nicht relevant ist (Bremen NZG 16, 1192). Die Abwahl des gesamten Vorstands en bloc ist zulässig (LG Potsdam NZG 23, 77 [LG Potsdam 15.08.2022 - 8 O 160/21]).
Rn 12
Nach § 32 I 3 entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ein Antrag, auf den mehr als die Hälfte der Stimmen entfällt, ist angenommen. Enthaltungen und ungültige Stimmen zählen nicht mit (BGHZ 83, 35; München NZG 08, 351, 352). Das gilt auch bei der ›einfachen‹ Mehrheit (KG ZIP 20, 1558). Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt (Sauter/Schweyer/Waldner Rz 206). Der Versammlungsleiter kann das Abstimmungsergebnis nach der Subtraktionsmethode ermitteln, dh bereits nach zwei von drei auf Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung gerichteten Abstimmungsfragen die Zahl der nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der dritten Frage werten (BGH NJW 02, 3629 [BGH 19.09.2002 - V ZB 37/02] – für WEG). Bei Wahlen ist die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, selbst wenn die Satzung für die Wahl einf...