Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 18
Beim Kaufvertrag darf der Käufer auch nach Lieferung einer mangelhaften Sache noch den Kaufpreis nach § 320 verweigern, weil er nach §§ 437 Nr 1, 439 zunächst Nacherfüllung fordern kann (BGHZ 225, 1 Rz 36 ff).
Rn 19
Bei Sukzessivlieferungsverträgen und Dauerlieferungsverträgen handelt es sich auch bei verschiedenen Lieferungsteilen doch um Verpflichtungen aus demselben Vertrag. Daher kann jede Partei § 320 einwenden, selbst wenn der Leistungsrückstand des anderen Teils eine frühere Leistungseinheit oder Periode betrifft (Nürnbg NJW-RR 17, 1263 [OLG Nürnberg 26.07.2017 - 2 U 17/17] Rz 16).
Rn 20
Bei der Miete ist zwar der Raummieter nach §§ 556b I, 579 II vorleistungspflichtig. Doch bleibt es trotzdem bei § 320, wenn der Vermieter seine Überlassungspflicht nach § 535 I 2 nicht erfüllt (BGH NZM 98, 766 [BGH 08.07.1998 - XII ZR 32/97]; MüKo/Emmerich Rz 10). Gleiches gilt bei Mangelhaftigkeit der Mietsache wegen des Mängelbeseitigungsanspruchs aus § 535 I 2. Freilich wird § 320 hier nur benötigt, soweit nicht der Mietzins schon nach § 536 gemindert ist (vgl BGHZ 206, 1 Rz 62; BGH WuM 16, 98 Rz 15; NJW 19, 1745 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 39/18]). Lehnt der Mieter die Mangelbeseitigung ab, scheidet § 320 aus (BGH NJW 19, 2308). Näher zum Ganzen Franke ZMR 10, 663; Flatow NZM 17, 273; Frieling ZfPW 18, 467. Nebenpflichten wie die Pflicht zur Rechnungslegung unterfallen nicht § 320, sondern § 273 (Rostock MDR 20, 367).
Rn 21
Bei Dienstverträgen kommt § 320 grds für beide Vertragsparteien in Betracht. Doch kann die Leistungsverweigerung des Dienstverpflichteten nach § 242 unzulässig sein, wenn sie zur Unmöglichkeit führt (Rn 10). Str ist dagegen, ob der Dienstberechtigte das Entgelt wegen bloßer Schlechtleistung zurückbehalten kann (vgl MüKo/Emmerich Rz 17; Canaris FS K. Schmidt [09], 177). Das Problem liegt darin, dass diese Zurückbehaltung auf eine für den Dienstvertrag nicht vorgesehene Minderung hinauslaufen könnte (für Zurückbehaltung wenigstens bei freien Dienstverträgen etwa MüKo/Emmerich Rz 17; dagegen Ulrich NJW 84, 585 und implizit auch BGH NJW 04, 2817 [BGH 15.07.2004 - IX ZR 256/03]). Zum Leasingvertrag Tavakoli NJW 10, 2768.
Rn 22
Bei Arbeitsverträgen soll eine Zurückbehaltung des Lohns wegen Schlechtleistung auch nach MüKo/Emmerich Rz 17 wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers unzulässig sein. Diese Unterscheidung befriedigt aber kaum, weil auch Selbstständige auf ihr Entgelt angewiesen sein können.
Rn 23
Bei Werkverträgen spielt § 320 insb für den Bauvertrag eine große Rolle. Hierfür finden sich Sonderregeln außer in der VOB/B in den §§ 632a (Abschlagszahlungen) und 641 III (nach der Abnahme kann nur ein ›angemessener Teil der Vergütung‹ verweigert werden, und zwar idR das Doppelte der Kosten für die Mängelbeseitigung, sog ›Druckzuschlag‹), also im Gegensatz zu § 320 nicht der ganze Werklohn. Vgl dazu § 641 Rn 16 ff. Zur Unzulässigkeit einer AGB-Klausel, die diesen beschränken will Brandbg NJW-RR 20, 1472 [OLG Brandenburg 27.08.2020 - 12 U 28/20]; dies gilt auch, wenn die AGB eines BGB-Bauvertrags die Vertragserfüllungssicherheit nicht enthält (Schlesw ZfBR 21, 740 [OLG Schleswig 07.04.2021 - 12 U 147/20]).