Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) Erhebt aus einem gegenseitigen Vertrag der eine Teil Klage auf die ihm geschuldete Leistung, so hat die Geltendmachung des dem anderen Teil zustehenden Rechts, die Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern, nur die Wirkung, dass der andere Teil zur Erfüllung Zug um Zug zu verurteilen ist.
(2) Hat der klagende Teil vorzuleisten, so kann er, wenn der andere Teil im Verzug der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen.
(3) Auf die Zwangsvollstreckung findet die Vorschrift des § 274 Absatz 2 Anwendung.
A. Funktion.
Rn 1
I will die aus § 320 I 1 folgende Leistungserbringung Zug um Zug bei der Verurteilung und in der Zwangsvollstreckung sichern. Zugleich erweitert II die Rechte eines Vorleistungspflichtigen ggü § 321.
B. Regelfall, I.
Rn 2
Im Anschluss an § 320 I 1 verlangt I zunächst einen gegenseitigen Vertrag (Vor § 320 Rn 3 ff). Ein Vertragspartner muss Klage auf die ihm zustehende Leistung erhoben haben und der andere muss ein Recht aus § 320 geltend machen (also die Einrede wirklich erheben, BGH NJW 99, 53 [BGH 07.10.1998 - VIII ZR 100/97]). Dann wird die Klage nicht etwa abgewiesen. Vielmehr kommt es zu einem Urt auf Leistung Zug um Zug.
Rn 3
Dieses muss weder vom Kläger noch vom Beklagten ausdrücklich beantragt worden sein. Vielmehr genügt seitens des Klägers ein uneingeschränkter Verurteilungsantrag, dem ggü sich das Zug-um-Zug-Urteil nicht als Aliud darstellt, sondern als Minus (BGHZ 117, 1, 3). Entspr kann der Beklagte uneingeschränkt Klageabweisung beantragen, wenn er eindeutig erkennen lässt, dass er die Leistung (auch) wegen des Ausbleibens der Gegenleistung verweigert. Dafür genügt schon die Behauptung, der Kläger könne oder wolle die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht erbringen (BGH NJW 99, 53, 54 [BGH 07.10.1998 - VIII ZR 100/97]; MüKo/Emmerich Rz 3 ff).
Rn 4
Klagt der Kläger nur einen Teil der beanspruchten Leistung ein, so wird idR die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung gleichwohl nicht entspr geteilt (BGHZ 56, 312, 316). Eine Ausn kommt aber mit Rücksicht auf Treu und Glauben nach § 320 II in Betracht.
Rn 5
In Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung über den erhobenen Anspruch, nicht auch über die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung (BGHZ 117, 1, 2, vgl § 322 I ZPO). Folglich kann auch der Kläger noch in einem neuen Prozess unter Verzicht auf die Zwangsvollstreckung aus dem ersten Urt eine Verurteilung zur Leistung schlechthin oder auf Zulassung der Zwangsvollstreckung ohne Gegenleistung erstreben (BGHZ 117, 1, 3 mN; zudem MüKo/Emmerich Rz 7).
Rn 6
Der Streitwert richtet sich idR allein nach der Höhe der eingeklagten Forderung; ein Abzug wegen der Gegenforderung oder des durch sie geminderten Interesses des Klägers findet nicht statt. Umgekehrt erhöht aber auch ein größerer Betrag der Gegenleistung den Streitwert nicht (BGH JZ 96, 636). Betrifft ein Rechtsmittel bloß die einredeweise erhobene Gegenforderung, so entscheidet deren Wert mit dem Wert der Klageforderung als Obergrenze (BGH NJW 82, 1048, 1049). Zur Bemessung der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Beschwer bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung in der Berufungsinstanz, wenn unbeschränkte Verurteilung beantragt war, BGH FamRZ 09, 1057 (Begrenzung auf den Wert des Klageanspruchs).
C. Vorleistungspflicht, II
Rn 7
Bei einer Vorleistungspflicht kann der Pflichtige die Leistung nicht verlangen, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 321 I nach § 321 II vom Vertrag zurücktreten. Dadurch zerstört er aber seine Erfüllungsansprüche. Das kann er über II vermeiden, indem er den Vorleistungsgläubiger in Annahmeverzug (§§ 293 ff) setzt: Dann kann er auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen (s Stuttg MDR 21, 311). Klagt er unbeschränkt, so ist er gleichwohl mit der genannten Einschränkung, die bloß ein Minus darstellt, zu verurteilen (BGHZ 117, 1, 3). Das gilt auch, wenn die Fertigstellung eines Werks nur deshalb scheitert, weil der Besteller die vom Unternehmer angebotene Mängelbeseitigung nicht annimmt (BGHZ 149, 289, 292). Dieses Urt wird in der Zwangsvollstreckung wie ein Zug-um-Zug-Urteil behandelt (BGHZ aaO).
D. Zwangsvollstreckung, III
Rn 8
III verweist für die Zwangsvollstreckung auf § 274 II. Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger aus einem Zug-um-Zug-Urteil ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung vollstrecken, wenn der Schuldner sich in Annahmeverzug befindet (§§ 293 ff). Andernfalls wird – außer bei Urteilen nach § 894 ZPO – nach § 726 II ZPO die Vollstreckungsklausel ohne weiteres erteilt. Nach § 756 ZPO darf jedoch der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er den Schuldner durch ein Angebot der Leistung in Annahmeverzug gesetzt hat. Unnötig ist das nur, wenn die Befriedigung oder der Annahmeverzug des Schuldners durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen sind und eine Abschrift dieser Urkunde zugestellt wird. Entspr gilt nach § 765 ZPO für die gerichtliche Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen.
Rn 9
Der Nachweis von Annahmeverzug des Schuldners kann aber auch dadurch geführt werden, da...