Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 31
Nach § 361 aF sollte der Gläubiger ohne weiteres zum Rücktritt berechtigt sein, wenn die Leistung ›genau zu einer fest bestimmten Zeit oder innerhalb einer fest bestimmten Frist‹ bewirkt werden sollte. Dieses ›Fixgeschäft‹ kehrt jetzt mit etwas anderer Formulierung in II Nr 2 wieder (dazu Dubovitskaya AcP 215, 581). Danach muss die Leistung nicht bloß frist- oder termingebunden sein. Vielmehr muss zusätzlich der Gläubiger den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden haben, so dass das Geschäft mit der zeitgerechten Leistung ›stehen und fallen‹ soll, wobei sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts auswirkt (BGHZ 110, 88, 96 zu § 361 aF). Ausgedrückt wird die Wichtigkeit pünktlicher Leistung oft durch Klauseln wie fix, präzise, genau, prompt (Bsp Celle 18.11.21, 11 U 66/21 – juris Rz 27). Schwarze AcP 207, 438, 454 will genügen lassen, dass die Pflichtverletzung den Fortfall des Erfüllungsinteresses ›überwiegend wahrscheinlich‹ gemacht hat (zweifelhaft).
Rn 32
Von diesem ›relativen‹ Fixgeschäft zu unterscheiden ist das sog ›absolute‹: Dort führt die Nichteinhaltung des Termins oder der Frist zur Unmöglichkeit (§ 275 I). Bsp sind Leistungen in einem Team (zB das Spiel eines Flötisten in einem Orchester), die Bestellung eines Taxis zu einem bestimmten Flug, uU auch die Lieferung von Saisonware, die später unverkäuflich ist (Weihnachtsmänner, Osterhasen). Fallgruppenbildung bei Dubovitskaya AcP 215, 581, 598 ff.; speziell zur Arbeitsschuld Latzel AcP 221, 881.
Rn 33
II Nr 2 wurde durch das VRRL-UG (dazu Vor §§ 312 ff Rn 4) mWv 13.6.14 geändert. Damit soll Art 18 II UAbs 2 VRRL umgesetzt werden, der freilich auf Verbraucherkaufverträge beschränkt ist. Grundlegende inhaltliche Änderungen sind damit nicht beabsichtigt; im Wesentlichen handelt es sich um Anpassungen an die Terminologie der VRRL (BTDrs 17/12637, 58). Das neu eingeführte Kriterium der Wesentlichkeit ist jedenfalls dann erfüllt, wenn das Geschäft mit der Einhaltung des Termins stehen und fallen soll (Rn 31). Es kann sich einerseits aus einer ausdrücklichen Mitteilung des Gläubigers (Fall 1) oder aber aus den Umständen (Fall 2) ergeben. Ein Richtlinienverstoß liegt indessen darin, dass II Nr 2 nur die Fälle erfasst, in denen die Leistung zu spät erfolgt; nach Art 18 II UAbs 2 aE VRRL (›an einem bestimmten Tag wesentlich‹) berechtigt auch die zu früh erbrachte Leistung ggf zum Rücktritt ohne Fristsetzung; die Norm ist für Verbraucherkaufverträge richtlinienkonform erweiternd auszulegen (Riehm NJW 14, 2065, 2066).