Prof. Dr. Michael Stürner
1. Allgemeines.
Rn 15
Nach I muss der Gläubiger, um das Rücktrittsrecht zu erhalten, idR dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt haben und diese Frist muss erfolglos abgelaufen sein (s Odemer JURA 16, 842). Von diesem Erfordernis gibt es freilich nach II mehrere Ausnahmen. Zur Kritik hieran Bassler/Büchler AcP 214, 888.
2. Die Fristsetzung.
Rn 16
Sie erfolgt durch empfangsbedürftige Willenserklärung des Gläubigers. Sie muss eine eindeutige Aufforderung zur Leistung enthalten und dem Schuldner deutlich machen, dass er eine letzte Chance erhält. Ein bloß höfliches Drängen auf Leistung genügt nicht, wenn der Schuldner infolgedessen keine Veranlassung hat, mit Rechtsfolgen wie einem Rücktritt oder Schadensersatzforderungen zu rechnen (BGH NJW 16, 3654 [BGH 13.07.2016 - VIII ZR 49/15] Rz 28). Statt einer Fristsetzung (nach Tagen, Wochen, Monaten) genügt auch die Bestimmung eines Endtermins (›Leistung bis zum 31.5.‹) mit angemessenem zeitlichem Abstand (näher R. Koch NJW 10, 1636). Ebenfalls genügt eine Fristsetzung nicht, wenn die Bereitschaft fehlt, die gerügte Sache zur Überprüfung am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen (BGH NJW 22, 2102 [BGH 30.03.2022 - VIII ZR 109/20] Rz 21f).
Rn 17
Was der Gläubiger im Einzelnen verlangt, braucht idR nicht angegeben zu werden, wenn der Schuldner keine Zweifel haben kann. Soweit es sich nur um einen Teil oder die Vertragsgemäßheit der Leistung handelt, wird man dagegen eine nähere Bestimmung durch den Gläubiger verlangen müssen (MüKo/Ernst Rz 66). Hierbei genügt es nach der stRspr des BGH nicht, dass der Gläubiger überhaupt wegen eines Mangels Nacherfüllung begehrt und die dem Schuldner insoweit gesetzte Frist abgelaufen ist. Vielmehr berechtigt dies den Gläubiger gerade nicht, den Rücktritt nunmehr auf bisher nicht gerügte Mängel zu stützen, zu deren Beseitigung er den Schuldner noch nicht aufgefordert hat. Vielmehr ist für jeden Mangel grds eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (zuletzt BGH NJW 16, 2493 Rz 14 mN). Allerdings genügt jew eine Fristsetzung (BGHZ 227, 15 Rz 38). Eine Zuvielforderung schadet ebenso wie bei der Mahnung nach § 286 Rn 14 (s aber KG MDR 19, 931 [KG Berlin 07.05.2019 - 21 U 139/18]).
Rn 18
Im Gegensatz zu § 326 I 1 aF braucht die Fristsetzung keine Ablehnungsandrohung mehr zu enthalten. Auf diese ist verzichtet worden, weil sie in der Praxis oft misslungen ist. Folgerichtig schließt auch der erfolglose Fristablauf den Erfüllungsanspruch noch nicht aus (vgl u. Rn 51).
3. Angemessenheit der Frist.
Rn 19
Die vom Gläubiger bestimmte Frist (dh ihre Dauer) muss angemessen sein. Die Frist muss nicht so reichlich bemessen sein, dass der Schuldner die noch nicht vorbereitete Leistung überhaupt erst beginnen und danach fristgemäß fertig stellen kann. Vielmehr soll dem Schuldner nur eine letzte Gelegenheit gewährt werden, die schon begonnene Erfüllung noch zu beenden (RGZ 89, 123, 125; BGH NJW 85, 320, 323 [BGH 31.10.1984 - VIII ZR 226/83]; 855, 857 [BGH 06.12.1984 - VII ZR 227/83]; MüKo/Ernst Rz 77). Doch soll eine unangemessen kurze Frist idR die angemessene Frist in Lauf setzen (stRspr, etwa BGH NJW 85, 2640; BGH NJW 21, 464 [BGH 14.10.2020 - VIII ZR 318/19]). Eine Ausnahme gilt aber, wenn der Gläubiger die Frist nur zum Schein gesetzt hat oder zu erkennen gibt, dass er die Leistung nach einer längeren, aber angemessenen Frist nicht mehr annehmen will (BGH NJW 85, 2640 [BGH 21.06.1985 - V ZR 134/84]).
Rn 20
Nach der Rspr des BGH soll eine Aufforderung, die Leistung ›in angemessener Zeit‹, ›umgehend‹ oder ›so schnell wie möglich‹ zu bewirken, genügen, sofern damit eine zeitlich bestimmbare Grenze gesetzt wird (BGH NJW 09, 3153, 3154; NJW 15, 2564 [BGH 18.03.2015 - VIII ZR 176/14] Rz 11; BGH NJW 16, 3654 [BGH 13.07.2016 - VIII ZR 49/15] Rz 25). Daran ist problematisch, dass ein Verlangen nach sofortiger Leistung mangels Dauer überhaupt keine Fristsetzung bedeutet (MüKo/Ernst Rz 74; krit auch Faust JZ 10, 202 [BGH 12.08.2009 - VIII ZR 254/08]; R. Koch NJW 10, 1636; Höpfner NJW 16, 3633). Nachdem eine zu kurz gesetzte Frist jedoch regelmäßig in eine angemessene Frist umgedeutet wird (Rn 19), ist es konsequent, wenn es der BGH (aaO) ausreichen lässt, dass der Gläubiger eine unmissverständliche Aufforderung zur Leistungserbringung innerhalb einer begrenzten (aber bestimmbaren) Zeitspanne ausspricht. Zur Fristsetzung als Obliegenheit des säumigen Schuldners Dubovitskaya JZ 12, 328.
Rn 21
Im Geltungsbereich der mittlerweile durch die WarenkaufRL abgelösten VerbrGKRL kam es für den Rücktritt nur darauf an, ob der Verkäufer ›innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat‹ (Art 3 V 2. Spiegelstrich VerbrGKRL). § 323 war in diesem Sinne richtlinienkonform anzuwenden (ganz hM, s. Stürner, Europäisches Vertragsrecht 21, § 22 Rz 59 ff mN; s.a. LG Stuttg BB 12, 974; Vorlage LG Hannover BauR 16, 1522 vom EuGH als außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der VerbrGKRL liegend verworfen, EuGH 9.7.17, C-247/16 – Schottelius, NJW 17, 3215). Daher war fraglich, ob di...