Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 8
Nach III gelten §§ 327 ff auch für Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte, bei denen der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu einer solchen Bereitstellung verpflichtet. Der Begriff der personenbezogenen Daten ergibt sich dabei aus Art 4 Nr 1 DSGVO (BTDrs 19/27653, 40). Danach sind ›personenbezogene Daten‹ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insb mittels Zuordnung zu einer Kennung, wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Zur Anwendung auf Pur-Modelle iRv journalistischen Angeboten Nikol/Rost NJW 22, 975; auf Reiseportale Gansmeier/Kochendörfer RRa 22, 170; zum Verhältnis zum Mietrecht Hubert/Hengstler MMR 22, 623; zum Einfluss auf die Vertragsgestaltung Matutis GRUR-Prax 22, 195; Schneider/Streitz CR 22, 141; hinsichtlich Software Schöttle MMR 21, 683; hinsichtlich der Cookie-Einwilligung Schreiber/van Nuus RDi 22, 246; hinsichtlich des Datenschutzes Schneider/Conrad K&R 22, 225.
Rn 9
Für III ist es dabei nach dem verbraucherschützenden Zweck der §§ 327 ff unerheblich, ob die Datenverarbeitung durch den Unternehmer rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt (BTDrs 19/27653, 40; Lejeune ITRB 21, 87; Rosenkranz ZUM 21, 195, 201; Wendehorst NJW 21, 2913, 2915; s.a. § 312 Rn 8a). Der Wortlaut der DIRL ist insofern allerdings nicht zwingend; der Gesetzgeber hätte statt der tatsächlichen Überlassung der Daten daher auch auf die Einwilligung des Verbrauchers oder das Vorliegen eines sonstigen Erlaubnistatbestandes nach Art 6 I DSGVO abstellen können (so Kumkar ZfPW 20, 306, 324).
Rn 10
Wohl va im Hinblick auf III wird die Frage virulent, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag über digitale Produkte zustande kommt. Eine unionsautonome Bestimmung des Vertragsbegriffs ist in diesem Zusammenhang abzulehnen (aA Kramme RDi 21, 20, 22), da Art 3 X DIRL den
Mitgliedstaaten insoweit Regelungsautonomie belässt (s.a. ErwGr 24 aE DIRL; ebenso Grüneberg/Grüneberg Rz 10). Mithin ist auf die §§ 145 ff zurückzugreifen, wobei das Hauptaugenmerk auf der Ermittlung des Vorliegens eines Rechtsbindungswillens nach §§ 133, 157 liegen dürfte (BTDrs 19/27653, 40). Hier kommt es darauf an, unter welchen Umständen aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts für den Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr von einem Angebot des Unternehmers zum Abschluss eines Vertrags auszugehen ist. Häufig wird es auf eine Abgrenzung zur bloßen invitatio ad offerendum bzw offerta ad incertas personas ankommen (s MüKo/Busche § 145 Rz 13 ff). Mangels individuellen Kontakts bei internetbasierten Vertragsschlüssen kann hier eine typisierte Auslegung erfolgen (BTDrs 19/27653, 40). Vor dem Hintergrund datenbasierter Geschäftsmodelle ist daher regelmäßig von einem Rechtsbindungswillen des Unternehmers auszugehen, wenn er personenbezogene Daten der Nutzer seines Angebots verarbeitet, um etwa durch personalisierte Werbeanzeigen wirtschaftliche Vorteile zu erzielen (BTDrs 19/27653, 40; Kramme RDi 21, 20, 23; krit angesichts weitreichender Haftungsrisiken Spindler MMR 21, 451, 453). An die Willenserklärung des Verbrauchers sollten nach der gesetzlichen Ausgestaltung in III keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden (Kramme RDi 21, 20, 22 f; Stierle IPRB 21, 66, 68); regelmäßig dürfte die Einwilligung in die Verarbeitung eigener personenbezogener Daten ausreichen. Minderjährigen bringen solche Verträge regelmäßig lediglich rechtliche Vorteile iSd § 107 (Schrader JA 21, 177; BeckOGK/Fries Rz 24; iE auch Bauermeister AcP 222, 372, 379 ff). Dies dürfte jedenfalls für über 16 Jahre alte Personen (Art 8 I DSGVO) gelten, da die datenschutzrechtliche Einwilligung jederzeit frei widerrufbar ist und der Vertragsschluss keine unmittelbaren Pflichten aus den §§ 327b ff mit sich bringt. Die Gegenansicht stellt stärker auf die Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsebene ab (MüKo/Metzger Rz 18).
Rn 11
Die Hingabe der personenbezogenen Daten im Vertragskontext muss nicht als Gegenleistung einzuordnen sein, vielmehr genügt eine kausale Verknüpfung mit dem Vertrag (so auch Rosenkranz ZUM 21, 195, 201). Dies ergibt sich bereits daraus, dass III in Übereinstimmung mit Art 3 I DIRL die vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung personenbezogener Daten alternativ zur bloß tatsächlichen, also keiner vertraglichen Leistungspflicht entspr Bereitstellung vorsieht. Demnach verzichtet auch der Reformgesetzgeber auf eine dogmatische Einordnung der Bereitstellung personenbezogener Daten oder der entspr Verpflichtung (BTDrs 19/27653, 40; näher Kramme RDi 21, 20, 21; Bauermeister AcP 222, 372, 379 ff). Es liegt nahe, hier...