Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) 1Verlangt der Verbraucher vom Unternehmer Nacherfüllung, so hat dieser den vertragsgemäßen Zustand herzustellen und die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen. 2Der Unternehmer hat die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel informiert hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen.
(2) 1Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn die Nacherfüllung unmöglich oder für den Unternehmer nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert des digitalen Produkts in mangelfreiem Zustand sowie die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. 3§ 275 Absatz 2 und 3 findet keine Anwendung.
A. Funktion.
Rn 1
Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art 14 II, III DIRL. Dort wird – ohne die im Kaufrecht verwendete Differenzierung zwischen Nachbesserung oder Ersatzlieferung – der Begriff der unentgeltlichen Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verwendet. Wenn § 327l nun ein Recht auf Nacherfüllung statuiert, so dient dies dem Gleichlauf mit den Regelungen im Kauf- und Werkvertragsrecht; ein RL-Verstoß liegt darin nicht.
Rn 2
Wie im Kaufrecht besteht auch hier ein Vorrang der Nacherfüllung (BTDrs 19/27653, 67). Die Subsidiarität der anderen Rechtsbehelfe (Vertragsbeendigung, Minderung, Schadensersatz) ergibt sich aus den zusätzlichen Voraussetzungen, die §§ 327m I, III, 327n I für diese aufstellen.
B. Entstehung und Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs.
Rn 3
Der Anspruch des Verbrauchers auf Nacherfüllung setzt gem §§ 327i Nr 1, 327l I 1 zunächst die Mangelhaftigkeit des digitalen Produkts iSd §§ 327e, 327g voraus. Für die Fälligkeit des Anspruchs ist ferner ein ausdrückliches Nacherfüllungsverlangen ggü dem Unternehmer erforderlich, wobei die Mitteilung derjenigen Tatsachen ausreicht, aus denen sich – für den Unternehmer nachvollziehbar – die Vertragswidrigkeit ergibt (BTDrs 19/27653, 66). Ab dem Zeitpunkt dieser Aufforderung hat der Unternehmer die Nacherfüllung nach I 2 innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen, welche nicht vom Verbraucher gesetzt worden sein muss. Zur Beurteilung der Angemessenheit ist nach ErwGr 46 DIRL eine objektive Beurteilung unter Berücksichtigung der Art der Vertragswidrigkeit vorzunehmen.
Rn 4
Im Unterschied zum Kaufrecht hat der Verbraucher kein Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung; dieses steht nach I 1 im Einklang mit ErwGr 63 DIRL dem Unternehmer zu. Diese Regelung erscheint sachgerecht, da die beiden Arten der Nacherfüllung – anders als bei einer mangelhaften Kaufsache – bei einem digitalen Produkt typischerweise für den Verbraucher zu identischen Ergebnissen führen (ähnl Kramme RDi 21, 20, 27). Der Unternehmer kann dabei aufgrund seiner Fachkenntnisse die effizienteste Variante der Mangelbeseitigung besser ermitteln.
Rn 5
Der Unternehmer hat die Nacherfüllungskosten zu tragen (I 1) und die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen (I 2). Solche Unannehmlichkeiten sind insb anzunehmen, wenn der Verbraucher zur Ermöglichung der Nacherfüllung erhebliche Änderungen an anderer, eigener Soft- oder Hardware vornehmen muss (BTDrs 19/27653, 66).
C. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs, II 1.
Rn 6
Der Anspruch des Verbrauchers aus I 1 ist ausgeschlossen, wenn die Herstellung des vertragsmäßigen Zustands unmöglich oder absolut unverhältnismäßig wäre. Bei dem erwähnten Anspruchsausschluss wegen Unmöglichkeit handelt es sich angesichts der Regelung in § 275 I aus schuldrechtlicher Sicht lediglich um eine Klarstellung (›ultra posse nemo obligatur‹). § 275 II, III findet gem II 3 keine Anwendung.
Rn 7
Mangels Wahlrechts des Verbrauchers kann sich die Unverhältnismäßigkeit anders als im Kaufrecht nicht relativ in Bezug auf die andere Art der Nacherfüllung, sondern nur absolut aus einer Gesamtbetrachtung aller Möglichkeiten ergeben (BTDrs 19/27653, 67). Unter Rückgriff auf die Rspr zum Kaufrecht ist absolute Unverhältnismäßigkeit im Regelfall anzunehmen, wenn die Nacherfüllungskosten 150 % des Werts des digitalen Produkts im mangelfreien Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts übersteigen (BGH NJW 09, 1660, 1661; BTDrs 19/27653, 67); diese Richtwerte entheben jedoch nicht einer Einzelfallbetrachtung. Nach II 2 ist neben dem mangelfreien Wert des digitalen Produkts auch die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zudem sind etwaige Synergieeffekte zu beachten, welche etwa dadurch entstehen können, dass der Unternehmer anlässlich einer Mangelbeseitigung eine Verbesserung vornimmt, die er für eine Vielzahl ebenso betroffener Verbraucher weiterverwenden kann (BTDrs 19/27653, 67).
Rn 8
Die Unverhältnismäßigkeit wird in II 1 im Unterschied zu § 439 IV 1, 3 nicht als Leistungsverweigerungsrecht, sondern als rechtsvernichtende Einwendung (›ist ausgeschlossen‹) formuliert. Die Gesetzesbegründung verweist für diese Einordnung auf den Wortlaut in Art 13 III WKRL, welcher im Unterschied zu Art 14 II DIRL ausdr die Möglichkeit der Leistungsverweigerung des Unternehmers vorsieht (BTDrs 19/27653, ...