Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 2
Die Vertragsbeendigung ist ein neuartiges Gestaltungsrecht; § 327m I setzt damit Art 14 IV DIRL um. Auch bei unterbliebener Bereitstellung kann der Vertrag beendet werden (§ 327c I 1). Im Falle der Mangelhaftigkeit ist die Vertragsbeendigung nach den in I genannten Voraussetzungen möglich.
I. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs, I Nr 1.
Rn 3
Ist der Nacherfüllungsanspruch gem § 327l II ausgeschlossen, kann der Vertrag nach Nr 1 beendet werden. Anders als im Kaufrecht (§ 440 S 1) hängt das Recht des Verbrauchers zur Vertragsbeendigung hierbei im Falle der Unverhältnismäßigkeit nicht von der Verweigerung des Unternehmers ab, sondern wird lediglich an das Vorliegen unverhältnismäßiger Nacherfüllungskosten geknüpft (BTDrs 19/27653, 67f). Allerdings kommt ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242) in Betracht, wenn der Verbraucher die Vertragsbeendigung auf die Unverhältnismäßigkeit gem I Nr 1 iVm § 327l II 1 stützt, obwohl sich der Unternehmer zur Erbringung der Nacherfüllung durch überobligatorischen Aufwand bereit erklärt hat (so zu Art 14 DIRL Gsell in Schulze/Staudenmayer, EU Digital Law 20, Art 14 DCD Rz 42).
II. Keine Nacherfüllung, I Nr 2.
Rn 4
Der Verbraucher kann den Vertrag auch dann beenden, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Nacherfüllung aus § 327l I nicht nachkommt. Dies gilt insb auch dann, wenn die Nacherfüllung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt oder die Durchführung erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher bringt (§ 327l I 2).
III. Mangel trotz Nacherfüllungsversuch des Unternehmers, I Nr 3.
Rn 5
Es muss sich trotz eines Nacherfüllungsversuchs des Unternehmers ein Mangel zeigen. Das kann der Fall sein, wenn die Nacherfüllung nicht zur Beseitigung des durch den Verbraucher geltend gemachten Mangels führt, oder auch dann, wenn die Nacherfüllung den beanstandeten Mangel beseitigt, sich hiernach allerdings ein neuer, anderer Mangel zeigt. Es ist dabei nicht erforderlich, dass dieser neue Mangel erst durch die Nacherfüllung geschaffen wird; es reicht vielmehr aus, dass sich dieser ›zeigt‹, also bspw bereits bei der Bereitstellung vorgelegen hat, dabei aber noch nicht erkennbar war.
IV. Schwerwiegender Mangel, I Nr 4.
Rn 6
Dieser Tatbestand setzt das Vorliegen eines Mangels voraus, der derart schwerwiegend ist, dass die sofortige Vertragsbeendigung gerechtfertigt erscheint. Hier ist eine einzelfallabhängige Abwägung der Interessen von Verbraucher und Unternehmer vorzunehmen (BTDrs 19/27653, 68). ErwGr 65 DIRL nennt das Bsp eines Antivirenprogramms, welches selbst mit Viren infiziert ist.
V. Verweigerung der Nacherfüllung, I Nr 5.
Rn 7
Erfasst sind sowohl die Fälle der berechtigten als auch der unberechtigten Verweigerung der Nacherfüllung durch den Unternehmer (Grüneberg/Grüneberg Rz 3). Es gelten dieselben Anforderungen wie bei der Unverhältnismäßigkeit iSd § 327l II; I Nr 5 ist insoweit lex specialis zu I Nr 1, als dort ebenfalls ein Recht zur Vertragsbeendigung im Falle der Unverhältnismäßigkeit vorgesehen ist. In den Fällen der unberechtigten Verweigerung der Nacherfüllung hat der Verbraucher alternativ zur Vertragsbeendigung die Möglichkeit, seinen weiterhin bestehenden Nacherfüllungsanspruch durchzusetzen (BTDrs 19/27653, 69). Gegen Nr 5 und für Geltung von I Nr 1 bei berechtigter Verweigerung BeckOGK/Fries Rz 13; MüKo/Metzger Rz 7.
VI. Offensichtlich nicht ordnungsgemäß erfolgende Nacherfüllung, I Nr 6.
Rn 8
Der Verbraucher kann den Vertrag auch dann beenden, wenn es trotz fehlender Weigerung des Unternehmers offensichtlich ist, dass dieser nicht gem § 327l I 2 nacherfüllen wird. Für die Beurteilung der Offensichtlichkeit kann auf die zu § 323 IV entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (§ 323 Rn 5 ff).
VII. Ausschluss des Rechts zur Vertragsbeendigung, II.
Rn 9
Die Vertragsbeendigung greift besonders scharf in den Grundsatz der Vertragserhaltung ein. Sie steht daher – wie der Rücktritt wegen Pflichtverletzung nach § 323 V 2 auch – unter einem Geringfügigkeitsvorbehalt nach II, der Art 14 VI 1 DIRL umsetzt. Auf die hierzu bestehende Rspr (§ 323 Rn 43 ff) kann zurückgegriffen werden (vgl BTDrs 19/27653, 69); erforderlich ist jedenfalls eine umfassende Einzelfallabwägung. Bei Unerheblichkeit des Mangels ist die Vertragsbeendigung mithin ausgeschlossen. Nach der Gegenausnahme in II 2 gilt dies wiederum nicht bei Verträgen, bei denen die Gegenleistung des Verbrauchers in der Bereitstellung personenbezogener Daten besteht; begründen lässt sich dies ua mit der fehlenden Möglichkeit der Minderung. II 2 greift jedoch dann nicht, wenn der Verbraucher sowohl einen Preis zahlt als auch personenbezogene Daten bereitstellt (MüKo/Metzger Rz 9; Grüneberg/Grüneberg Rz 3; offen ErwGr 67 DIRL).