Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) Bei einer dauerhaften Bereitstellung darf der Unternehmer Änderungen des digitalen Produkts, die über das zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit nach § 327e Absatz 2 und 3 und § 327f erforderliche Maß hinausgehen, nur vornehmen, wenn
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der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und einen triftigen Grund dafür enthält, |
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dem Verbraucher durch die Änderung keine zusätzlichen Kosten entstehen und |
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der Verbraucher klar und verständlich über die Änderung informiert wird. |
(2) 1Eine Änderung des digitalen Produkts, welche die Zugriffsmöglichkeit des Verbrauchers auf das digitale Produkt oder welche die Nutzbarkeit des digitalen Produkts für den Verbraucher beeinträchtigt, darf der Unternehmer nur vornehmen, wenn er den Verbraucher darüber hinaus innerhalb einer angemessenen Frist vor dem Zeitpunkt der Änderung mittels eines dauerhaften Datenträgers informiert. 2Die Information muss Angaben enthalten über:
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Merkmale und Zeitpunkt der Änderung sowie |
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die Rechte des Verbrauchers nach den Absätzen 3 und 4. |
3Satz 1 gilt nicht, wenn die Beeinträchtigung der Zugriffsmöglichkeit oder der Nutzbarkeit nur unerheblich ist.
(3) 1Beeinträchtigt eine Änderung des digitalen Produkts die Zugriffsmöglichkeit oder die Nutzbarkeit im Sinne des Absatzes 2 Satz 1, so kann der Verbraucher den Vertrag innerhalb von 30 Tagen unentgeltlich beenden. 2Die Frist beginnt mit dem Zugang der Information nach Absatz 2 zu laufen. 3Erfolgt die Änderung nach dem Zugang der Information, so tritt an die Stelle des Zeitpunkts des Zugangs der Information der Zeitpunkt der Änderung.
(4) Die Beendigung des Vertrags nach Absatz 3 Satz 1 ist ausgeschlossen, wenn
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die Beeinträchtigung der Zugriffsmöglichkeit oder der Nutzbarkeit nur unerheblich ist oder |
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dem Verbraucher die Zugriffsmöglichkeit auf das unveränderte digitale Produkt und die Nutzbarkeit des unveränderten digitalen Produkts ohne zusätzliche Kosten erhalten bleiben. |
(5) Für die Beendigung des Vertrags nach Absatz 3 Satz 1 und deren Rechtsfolgen sind die §§ 327o und 327p entsprechend anzuwenden.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Paketverträge, bei denen der andere Bestandteil des Paketvertrags die Bereitstellung eines Internetzugangsdienstes oder eines öffentlich zugänglichen nummerngebundenen interpersonellen Telekommunikationsdienstes im Rahmen eines Paketvertrags im Sinne des § 66 Absatz 1 des Telekommunikationsgesetzes zum Gegenstand hat, nicht anzuwenden.
A. Funktion.
Rn 1
§ 327r regelt die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von einseitigen, durch den Unternehmer initiierten Änderungen des digitalen Produkts (ausf Möllnitz MMR 21, 116). Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art 19 DIRL. Der Zweck der Norm liegt im Interessenausgleich von Unternehmer und Verbraucher sowie dem Ausgleich von ›Vertragsbindung und Vertragskontinuität‹ bei Dauerschuldverhältnissen über digitale Produkte (Möllnitz MMR 21, 116).
Rn 2
Die Vorschrift regelt lediglich eine vertraglich vereinbarte, nicht aber eine gesetzliche Änderungsbefugnis des Unternehmers. Dem Unternehmer wird durch § 327r die Option eröffnet, auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung durch eine ordnungsgemäße Änderung seine vertraglich geschuldete Leistung einseitig zu modifizieren, während die Gegenleistungspflicht des Verbrauchers erhalten bleibt (Möllnitz MMR 21, 116, 120). Im Verhältnis zu § 327i stellt sich die Regelung als spezieller dar. Im Fall von nachteiligen Änderungen ist die Anwendung von § 327i wieder eröffnet (ErwGr 77 S 4 DIRL; MüKo/Metzger Rz 27 ff; BeckOGK/Fries Rz 13 ff).
B. Tatbestandliche Voraussetzungen der Änderungsbefugnis, I.
Rn 3
Diese gelten unabhängig davon, ob es sich um eine für den Verbraucher vorteilige, neutrale oder nachteilige Änderung handelt. § 327r findet keine Anwendung, wenn die Parteien anlässlich der Veröffentlichung einer neuen Version des digitalen Produkts einen neuen Vertrag schließen (ErwGr 75 DIRL).
I. Vertrag über die dauerhafte Bereitstellung eines digitalen Produkts.
Rn 4
S diesbezüglich § 327b V 2 (§ 327b Rn 8).
II. Keine vertraglich geschuldete Aktualisierung.
Rn 5
Vor der Prüfung der einzelnen Voraussetzungen in I Nr 1–3 ist zunächst eine Abgrenzung der Änderung von der vertraglich geschuldeten Aktualisierung gem § 327f I 1 vorzunehmen. Dazu ist allein darauf abzustellen, ob die Aktualisierung zum Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich ist oder nicht. In ersterem Fall ist § 327f I 1 einschlägig und die in I vorgesehenen Voraussetzungen müssen nicht eingehalten werden (vgl auch Art 19 I DIRL; ausf zur Abgrenzung Schreiber/Esser RDi 22, 317).
III. Vertragliche Vereinbarung der Änderungsbefugnis bei triftigem Grund.
Rn 6
Die Änderungsbefugnis des Unternehmers muss gem I Nr 1 von den Parteien vertraglich vereinbart und dabei an einen triftigen Grund geknüpft worden sein. Tw wird das Vorliegen eines triftigen Grundes nach der Art des Vertrags als ausreichend angesehen (Wendland in: Schulze/Staudenmayer, EU Digital Law 20, Art 19 DCD Rz 12). Das widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut sowohl in Art 19 I lit a DIRL und ErwGr 75 als auch in I Nr 1; das Kriterium der vertraglichen Vereinbarung würde hierdurch aufgeweicht (Möllnitz MMR 21, 116, 118).
Rn 7
Die Vereinbarung kann dabei auch durch AGB (ausf Hunzinger CR 22, 349) ...