Prof. Dr. Michael Stürner
I. Echter und unechter Vertrag zugunsten Dritter.
Rn 12
Hinsichtlich der Rechtsstellung des Dritten unterscheiden sich der echte und der unechte Vertrag zugunsten Dritter (vgl schon Vor §§ 328–335 Rn 1): Beim echten Vertrag zugunsten Dritter hat der Dritte, wie das I voraussetzt, einen eigenen Anspruch auf die Leistung. Dagegen kann beim unechten Vertrag zugunsten Dritter der Dritte die Leistung nicht verlangen; er ist also darauf angewiesen, dass der Versprechensempfänger dies tut.
Rn 13
Welche der beiden Gestaltungen vorliegen soll, unterliegt primär der Vereinbarung der Vertragsparteien. Fehlt – wie häufig – eine solche Bestimmung, so verweist II auf die Vertragsauslegung nach den Umständen und insb dem Zweck des Vertrages. Für eine Berechtigung des Dritten spricht namentlich eine beabsichtigte Versorgung oder andere Hilfe (vgl § 330 und MüKo/Gottwald Rz 33). Gleiches gilt für eine Leistung, die erst nach dem Tod des Versprechensempfängers erfolgen soll, so dass dieser sich nicht mehr selbst um die Durchsetzung des Anspruchs kümmern kann (vgl § 331 I). Dagegen wird bei der Erfüllungsübernahme (§ 415 III) im Zweifel ein eigener Anspruch des Gläubigers gegen den Übernehmer verneint (§ 329): Der Gläubiger kann den Anspruch ja idR nach § 415 I durch Genehmigung der mitgeteilten Übernahme erlangen.
II. Die Person des Dritten.
Rn 14
Hinsichtlich der Person des Dritten ist die Rspr großzügig; jedenfalls genügt ein Nasciturus (vgl § 331 II). Darüber hinaus braucht der Dritte beim Abschluss des ihn berechtigenden Vertrages noch nicht einmal gezeugt zu sein (BGHZ 129, 297, 305 mN; nach Hamm NJW 13, 1167 soll auch das zu zeugende Kind in den Schutzbereich eines Behandlungsvertrags einbezogen werden, da es ›>Gegenstand’ des Behandlungsvertrags‹ sei); auch eine erst noch zu gründende juristische Person kann genügen. Zudem brauchen Namen und Zahl der Dritten zunächst nicht festzustehen. Entspr dem Vor §§ 328–335 Rn 9 Gesagten wird man auch eine Vielzahl von Personen zulassen können, wenn sich dadurch das erkennbar geschuldete Ausmaß der Leistung nicht erhöht (vgl BGHZ 159, 1, 9f). Allerdings müssen die erfassten Dritten spätestens bei Fälligkeit der Leistung bestimmbar sein (zB der ›jeweilige Endabnehmer‹, BGHZ 75, 75, 78f). Auch ein in gleichgeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaft gezeugtes Kind kann Dritter sein und damit aus der Vereinbarung der Lebenspartner einen Unterhaltsanspruch ableiten (Brandbg NJW 21, 1889 [OLG Brandenburg 26.10.2020 - 9 UF 178/20]). Dritter kann auch ein Grundstückeigentümer eines Hinterliegergrundstücks sein (Hambg 20.11.20, 6 U 106/14).
III. Fallgruppen der Drittberechtigung.
Rn 15
Neben den in den §§ 330, 331 erwähnten Fällen kommt eine Drittberechtigung auch sonst häufig vor (für den Vertrag zugunsten Dritter für den Todesfall Dresd NJW-RR 21, 1573 [OLG Dresden 01.07.2021 - 8 U 276/21]). Erwähnt seien die folgenden Fallgruppen:
Rn 16
Der Anwaltsvertrag, der vom Haftpflichtversicherer für den Versicherungsnehmer abgeschlossen wird, berechtigt idR diesen. Dagegen kontrahiert der Rechtsschutzversicherer mit dem Anwalt nach § 16 II ARB namens des Versicherungsnehmers.
Rn 17
Im Arbeitsrecht berechtigen Verträge des Arbeitgebers mit Betriebs- oder Unterstützungskassen zur Altersversorgung der Arbeitnehmer diese (und ggf auch deren Angehörige) direkt (BAG NJW 73, 936 Nr 12 Leitsatz f; BAGE 19, 100, 102f [BAG 21.10.1966 - 3 AZR 119/66]). Auch ein Tarifvertrag kann in seinem schuldrechtlichen Teil Ansprüche der Tarifunterworfenen begründen (BAGE 6, 340). Aus einem Sozialplan können eigene Ansprüche auch der leitenden Angestellten folgen (BAG NJW 79, 1621, 1622 [BAG 31.01.1979 - 5 AZR 454/77] mN). Eine vertragliche Regelung zwischen Tariffähigen ist nicht stets Tarifvertrag, sondern kann etwa auch ein schuldrechtlicher Normenvertrag zugunsten Dritter sein (BAGE 110, 164 [BAG 14.04.2004 - 4 AZR 232/03]; BAG NZA 17, 1125, 1128 [BAG 12.04.2017 - 7 AZR 446/15]).
Rn 18
Bei ärztlicher Behandlung hat idR der Patient eigene Ansprüche gegen den Arzt, auch wenn der Patient den Vertrag nicht selbst geschlossen hat (BGHZ 89, 263, 266, auch 250, 253; BGH NJW 22, 2269). Für den Kassenpatienten ergibt sich Gleiches aus § 76 IV SGB V; zu Einzelheiten ausf MüKo/Gottwald Rz 47 ff. Bei einer heterologen Insemination bedeutet die entspr Vereinbarung zwischen Eheleuten regelmäßig zugleich ein Versprechen des Ehemanns zugunsten des Kindes, für dessen Unterhalt wie ein ehelicher Vater zu sorgen (BGHZ 129, 297, 303; 207, 135 Rz 10). Das Vertragsverhältnis zwischen Klinik und Chefarzt kann dem nachgeordneten Arzt Ansprüche ermöglichen (BAG NZA 22, 1126 [BAG 06.04.2022 - 5 AZR 325/21]).
Rn 19
Bei Banken und Sparkassen berechtigt allein der Scheckvertrag zwischen Aussteller und Bank den Schecknehmer nicht (BGH NJW 74, 456f [BGH 26.11.1973 - II ZR 117/72]). Auch der Überweisungsempfänger wird nicht schon durch den Überweisungsauftrag berechtigt, sondern erst durch die Gutschrift auf seinem Konto nach § 675 f.
Rn 20
Insb die Anlage von Konten oder Sparbüchern auf den Namen eines Dritten kann schon diesen berechtigen. Maßgeblich ist der e...