Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 15
Neben den in den §§ 330, 331 erwähnten Fällen kommt eine Drittberechtigung auch sonst häufig vor (für den Vertrag zugunsten Dritter für den Todesfall Dresd NJW-RR 21, 1573 [OLG Dresden 01.07.2021 - 8 U 276/21]). Erwähnt seien die folgenden Fallgruppen:
Rn 16
Der Anwaltsvertrag, der vom Haftpflichtversicherer für den Versicherungsnehmer abgeschlossen wird, berechtigt idR diesen. Dagegen kontrahiert der Rechtsschutzversicherer mit dem Anwalt nach § 16 II ARB namens des Versicherungsnehmers.
Rn 17
Im Arbeitsrecht berechtigen Verträge des Arbeitgebers mit Betriebs- oder Unterstützungskassen zur Altersversorgung der Arbeitnehmer diese (und ggf auch deren Angehörige) direkt (BAG NJW 73, 936 Nr 12 Leitsatz f; BAGE 19, 100, 102f [BAG 21.10.1966 - 3 AZR 119/66]). Auch ein Tarifvertrag kann in seinem schuldrechtlichen Teil Ansprüche der Tarifunterworfenen begründen (BAGE 6, 340). Aus einem Sozialplan können eigene Ansprüche auch der leitenden Angestellten folgen (BAG NJW 79, 1621, 1622 [BAG 31.01.1979 - 5 AZR 454/77] mN). Eine vertragliche Regelung zwischen Tariffähigen ist nicht stets Tarifvertrag, sondern kann etwa auch ein schuldrechtlicher Normenvertrag zugunsten Dritter sein (BAGE 110, 164 [BAG 14.04.2004 - 4 AZR 232/03]; BAG NZA 17, 1125, 1128 [BAG 12.04.2017 - 7 AZR 446/15]).
Rn 18
Bei ärztlicher Behandlung hat idR der Patient eigene Ansprüche gegen den Arzt, auch wenn der Patient den Vertrag nicht selbst geschlossen hat (BGHZ 89, 263, 266, auch 250, 253; BGH NJW 22, 2269). Für den Kassenpatienten ergibt sich Gleiches aus § 76 IV SGB V; zu Einzelheiten ausf MüKo/Gottwald Rz 47 ff. Bei einer heterologen Insemination bedeutet die entspr Vereinbarung zwischen Eheleuten regelmäßig zugleich ein Versprechen des Ehemanns zugunsten des Kindes, für dessen Unterhalt wie ein ehelicher Vater zu sorgen (BGHZ 129, 297, 303; 207, 135 Rz 10). Das Vertragsverhältnis zwischen Klinik und Chefarzt kann dem nachgeordneten Arzt Ansprüche ermöglichen (BAG NZA 22, 1126 [BAG 06.04.2022 - 5 AZR 325/21]).
Rn 19
Bei Banken und Sparkassen berechtigt allein der Scheckvertrag zwischen Aussteller und Bank den Schecknehmer nicht (BGH NJW 74, 456f [BGH 26.11.1973 - II ZR 117/72]). Auch der Überweisungsempfänger wird nicht schon durch den Überweisungsauftrag berechtigt, sondern erst durch die Gutschrift auf seinem Konto nach § 675 f.
Rn 20
Insb die Anlage von Konten oder Sparbüchern auf den Namen eines Dritten kann schon diesen berechtigen. Maßgeblich ist der erkennbare und von der Bank konsentierte (BGH NJW 84, 480, 481 [BGH 19.10.1983 - IVa ZR 71/82]) Wille des die Anlage beantragenden Kunden (BGH NJW 94, 931 [BGH 02.02.1994 - IV ZR 51/93]). Doch verlangt der BGH aaO, der Wille zur Berechtigung des Dritten müsse aus den schriftlichen Kontounterlagen hervorgehen, soweit mündliche Nebenabreden formnichtig sind (s.a. Rostock FamRZ 18, 793). Gegen den sofortigen Anspruchserwerb des Dritten spricht aber, dass der Anleger die Anlage dem Begünstigten nicht mitteilt oder sich die Verfügung und insb auch den Besitz des Sparbuchs vorbehält (MüKo/Gottwald Rz 60 f mN).
Rn 21
Der im Emissionsprospekt einer Fondsgesellschaft abgedruckte Mittelverwendungskontrollvertrag ist als ein dem Schutz der Anleger dienender Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet (BGH WM 17, 2296 Rz 19). Die Fondsgesellschaft ist dabei Versprechensempfängerin, der als Mittelverwendungskontrolleur eingesetzte Wirtschaftsprüfer der Versprechende (zur Inhaltskontrolle des Mittelverwendungskontrollvertrages BGHZ 183, 220). Zur Haftung des eingesetzten Mittelverwendungskontrolleurs wegen unterlassener Hinweis- und Prüfungspflichten BGH GWR 10, 115, 145 [BGH 28.01.2010 - III ZR 92/09]. Der Verwahrungsvertrag zwischen dem Zwischenverwahrer und der Wertpapiersammelbank ist kein Vertrag zugunsten Dritter (Frankf NJW-RR 20, 1373 [OLG Frankfurt am Main 15.06.2020 - 17 U 272/19] Rz 65). Auch der Treuhandvertrag zwischen einem Emittenen und einem Treuhänder, der zum Schutz der Anleger tätig werden soll, ist als Vertrag zugunsten Dritter zu werten (stRspr, BGHZ 227, 49 Rz 12).
Rn 22
Der Gesellschaftsvertrag kann Leistungspflichten ggü Dritten begründen oder ihnen Rechte einräumen (BGH NJW 78, 264: Eintrittsrecht). Umgekehrt kann sich eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern als Vertrag zugunsten der Gesellschaft erweisen (BGH ZIP 10, 1541).
Rn 23
Beim Kauf kann eine Herstellergarantie zwischen dem Hersteller und dem Händler zugunsten des Endabnehmers vereinbart werden (BGHZ 75, 75, 78). Insb bei der Ausstellung von für den Endabnehmer bestimmten Garantieurkunden kann aber eher ein Vertragsschluss direkt zwischen dem Hersteller und dem Endabnehmer angenommen werden. Wird in einem Kaufvertrag des Vermieters über ein Hausgrundstück vereinbart, dass der Mieter einer Wohnung des Hauses ein lebenslanges Wohnrecht haben und eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den in den Mietvertrag eintretenden Erwerber ausgeschlossen sein soll, handelt es sich um einen (echten) Vertrag zugunsten Dri...