Prof. Dr. Michael Stürner
I. Schuldnerverzug.
Rn 3
Dass 1 den Verfall der Vertragsstrafe an Schuldnerverzug knüpft, ist irreführend. Vielmehr genügt auch Unmöglichkeit, obwohl diese den Verzug ausschließt (vgl § 286 Rn 9). Ebenfalls genügt schon nach dem Gesetzwortlaut eine Erfüllung in nicht gehöriger Weise. Ein qualifizierter Verstoß ist grds nicht erforderlich (BGH GRUR 10, 167 [BGH 10.06.2009 - I ZR 37/07] ›Unrichtige Aufsichtsbehörde‹ zu einer Unterwerfungserklärung nach § 13 II Nr 1 UWG aF: keine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs erforderlich). Ob eine Mahnung erforderlich ist, ergibt sich aus § 286 I bis III. Doch dürfte sie zusätzlich bei Unmöglichkeit und einem nicht behebbaren Erfüllungsmangel entbehrlich sein.
Rn 4
Zudem können die Parteien die Verfallvoraussetzungen anders vereinbaren. So können sie auf das Verschuldenserfordernis verzichten (BGH NJW 82, 759, 760 [BGH 18.12.1981 - V ZR 233/80]); das Versprechen nähert sich dann einer Garantiezusage, doch bleiben die §§ 339 ff anwendbar (BGH aaO). Umgekehrt kann auch ein qualifiziertes Verschulden verlangt werden. Das ist im Zweifel anzunehmen, wenn ein ›Vertragsbruch‹ des Arbeitnehmers vorausgesetzt wird (MüKo/Gottwald Rz 35).
Rn 5
Die Auslegung des Strafversprechens kann auch ergeben, dass es gleichwertige Verstöße (etwa gegen Werbeverbote) mit umfasst (vgl BGHZ 5, 189, 193 zur Auslegung eines Unterlassungsurteils). Im Zweifel soll das Versprechen nur künftiges Zuwiderhandeln erfassen (BGH ZIP 06, 1777, 1778f). Nach § 242 darf der Gläubiger die Vertragsstrafe nicht fordern, wenn er selbst zurechenbar den Verstoß des Schuldners veranlasst hat (BGH NJW 71, 1126, abgrenzend NJW 84, 919, 920 [BGH 01.06.1983 - I ZR 78/81]). Ob bei beiderseitigem Mitverschulden § 254 angewendet werden kann, ist str (MüKo/Gottwald Rz 47 mN), aber eher zu verneinen. Eine ›Verfallbereinigung‹ durch nachträgliche Leistung des Schuldners ist nur ausnahmsweise nach § 242 anzunehmen (vgl MüKo/Gottwald Rz 45; Knütel AcP 175, 44 ff).
Rn 6
Der Schuldner muss sich auch das Fehlverhalten Dritter gem § 278 zurechnen lassen, wenn der Erfüllungsgehilfe gerade auch in Erfüllung der vertraglich übernommenen (Unterlassungs-)Pflicht tätig wird, die durch die Vertragsstrafe gesichert werden soll (BGH GRUR 17, 824 zur Unterlassungsverpflichtung bezüglich beanstandeter Werbeaussagen). Selbst wenn der Schuldner für das Handeln Dritter im Einzelfall nicht einzustehen hat, ist er gehalten, auf diese einzuwirken, wenn deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und wenn er zudem rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (BGH GRUR 14, 595 [BGH 13.11.2013 - I ZR 77/12]; 17, 825 [BGH 04.05.2017 - I ZR 208/15]; 17, 208: Produktrückruf wegen beanstandeter Werbung).
II. Mehrheit von Verstößen.
Rn 7
Ein Strafversprechen kann so abgefasst sein, dass mehrfache Verstöße möglich sind, insb bei Unterlassungspflichten (›für jeden Fall der Zuwiderhandlung‹). Dann wird fraglich, ob jeder einzelne Verstoß den Verfall der Vertragsstrafe auslösen soll, oder ob mehrere Verstöße zu einer Einheit zusammenzufassen sind. Hierfür hat BGHZ 33, 163, 168 die Regel entwickelt, mehrere Einzelakte seien dann zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen und könnten die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine sog rechtliche Handlungseinheit bildeten (BGH NJW 09, 1882; BGHZ 146, 318, 326; BGH GRUR 15, 1021; 17, 825f). Dieser Begriff sei nicht mit dem strafrechtlichen Fortsetzungszusammenhang identisch. Insb verlange er keinen Gesamtvorsatz, sondern passe auch bei bloß fahrlässigen oder sogar schuldlos begangenen Pflichtverletzungen.
Rn 8
Im Strafrecht ist zwar die Lehre vom Fortsetzungszusammenhang im Jahr 1994 durch BGHSt 40, 138 aufgegeben worden (vgl Tausch NJW 97, 2656). Doch hat dies für das Zivilrecht keine Bedeutung, weil dort ein Begriff mit einem eigenen, vom Strafrecht losgelösten Sinn verwendet wird, nämlich dem einer Zusammenfassung hierfür geeigneter Einzelhandlungen ohne Rücksicht auf einen verbindenden Gesamtvorsatz auch bei nur fahrlässiger Begehung (BGHZ 120, 13, 16). Dies entspricht der hM auch in der Lit (etwa MüKo/Gottwald Rz 41, Erman/Metzger Rz 22; Grüneberg/Grüneberg Rz 18; anders Rieble WM 95, 828, der sich für eine Herabsetzung der Gesamtstrafe ausspricht). Wann eine solche rechtliche Handlungseinheit vorliegt, ist durch Auslegung des Strafversprechens zu ermitteln (BGHZ 146, 318, 322 ff; GRUR 15, 1021 Rz 29). Doch kann bei Unklarheit hierüber ein Strafversprechen in AGB nach §§ 305c, 307 I 2 unwirksam sein, BAG NJW 08, 458 [BAG 14.08.2007 - 8 AZR 973/06].
Rn 9
Bei dieser Auslegung sei nicht davon auszugehen, dass die Parteien die Regeln über die Verhängung von Ordnungsmitteln bei der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO angewendet sehen wollten (BGHZ 146, 318, 323). Doch sollen die Parteien im Allgemeinen durch die Unterlassungsverpflichtung nicht schlechter stehen als durch ein entspr Urt. Regelmäßig solle auch dann, wenn nicht ohnehin von einer natürlichen Handlung...