Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
1Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug kommt. 2Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt die Verwirkung mit der Zuwiderhandlung ein.
A. Regelungsgehalt.
Rn 1
1 erfordert für den Verfall einer Vertragsstrafe, die für die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung versprochen worden ist, den Verzug des Schuldners (s Husemann WRP 17, 270). Verzug setzt nach § 286 IV Vertretenmüssen (also idR ein Verschulden) voraus. Demgegenüber lässt 2 bei einer Pflicht zum Unterlassen schon die Zuwiderhandlung genügen. Das erweckt den Eindruck, als sei hier ein Vertretenmüssen unnötig.
Rn 2
Über den Sinn dieser Unterscheidung ist lange gestritten worden. Durchgesetzt hat sich mit Recht seit BGH NJW 72, 1893 [BGH 29.06.1972 - II ZR 101/70] die Ansicht, auch bei Unterlassungspflichten sei für den Verfall der Strafe ein Vertretenmüssen nötig; das für § 339 maßgebliche Schutzbedürfnis des Schuldners sei hier nicht geringer als bei Handlungspflichten. Die Verschiedenheit der Gesetzesfassung erklärt sich daraus, dass bei Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungspflicht von einem ›eigentlichen‹ Schuldnerverzug nicht gesprochen werden kann (sondern von Unmöglichkeit). Das Vertretenmüssen des Schuldners wird indessen vermutet (BGH GRUR 09, 181 [BGH 17.07.2008 - I ZR 168/05] Rz 35 Kinderwärmekissen; NJW 14, 2180 [BGH 13.11.2013 - I ZR 77/12] Rz 26). An den Entlastungsbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen (Düsseldorf WRP 16, 900 Rz 11).
B. Einzelheiten.
I. Schuldnerverzug.
Rn 3
Dass 1 den Verfall der Vertragsstrafe an Schuldnerverzug knüpft, ist irreführend. Vielmehr genügt auch Unmöglichkeit, obwohl diese den Verzug ausschließt (vgl § 286 Rn 9). Ebenfalls genügt schon nach dem Gesetzwortlaut eine Erfüllung in nicht gehöriger Weise. Ein qualifizierter Verstoß ist grds nicht erforderlich (BGH GRUR 10, 167 [BGH 10.06.2009 - I ZR 37/07] ›Unrichtige Aufsichtsbehörde‹ zu einer Unterwerfungserklärung nach § 13 II Nr 1 UWG aF: keine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs erforderlich). Ob eine Mahnung erforderlich ist, ergibt sich aus § 286 I bis III. Doch dürfte sie zusätzlich bei Unmöglichkeit und einem nicht behebbaren Erfüllungsmangel entbehrlich sein.
Rn 4
Zudem können die Parteien die Verfallvoraussetzungen anders vereinbaren. So können sie auf das Verschuldenserfordernis verzichten (BGH NJW 82, 759, 760 [BGH 18.12.1981 - V ZR 233/80]); das Versprechen nähert sich dann einer Garantiezusage, doch bleiben die §§ 339 ff anwendbar (BGH aaO). Umgekehrt kann auch ein qualifiziertes Verschulden verlangt werden. Das ist im Zweifel anzunehmen, wenn ein ›Vertragsbruch‹ des Arbeitnehmers vorausgesetzt wird (MüKo/Gottwald Rz 35).
Rn 5
Die Auslegung des Strafversprechens kann auch ergeben, dass es gleichwertige Verstöße (etwa gegen Werbeverbote) mit umfasst (vgl BGHZ 5, 189, 193 zur Auslegung eines Unterlassungsurteils). Im Zweifel soll das Versprechen nur künftiges Zuwiderhandeln erfassen (BGH ZIP 06, 1777, 1778f). Nach § 242 darf der Gläubiger die Vertragsstrafe nicht fordern, wenn er selbst zurechenbar den Verstoß des Schuldners veranlasst hat (BGH NJW 71, 1126, abgrenzend NJW 84, 919, 920 [BGH 01.06.1983 - I ZR 78/81]). Ob bei beiderseitigem Mitverschulden § 254 angewendet werden kann, ist str (MüKo/Gottwald Rz 47 mN), aber eher zu verneinen. Eine ›Verfallbereinigung‹ durch nachträgliche Leistung des Schuldners ist nur ausnahmsweise nach § 242 anzunehmen (vgl MüKo/Gottwald Rz 45; Knütel AcP 175, 44 ff).
Rn 6
Der Schuldner muss sich auch das Fehlverhalten Dritter gem § 278 zurechnen lassen, wenn der Erfüllungsgehilfe gerade auch in Erfüllung der vertraglich übernommenen (Unterlassungs-)Pflicht tätig wird, die durch die Vertragsstrafe gesichert werden soll (BGH GRUR 17, 824 zur Unterlassungsverpflichtung bezüglich beanstandeter Werbeaussagen). Selbst wenn der Schuldner für das Handeln Dritter im Einzelfall nicht einzustehen hat, ist er gehalten, auf diese einzuwirken, wenn deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und wenn er zudem rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (BGH GRUR 14, 595 [BGH 13.11.2013 - I ZR 77/12]; 17, 825 [BGH 04.05.2017 - I ZR 208/15]; 17, 208: Produktrückruf wegen beanstandeter Werbung).
II. Mehrheit von Verstößen.
Rn 7
Ein Strafversprechen kann so abgefasst sein, dass mehrfache Verstöße möglich sind, insb bei Unterlassungspflichten (›für jeden Fall der Zuwiderhandlung‹). Dann wird fraglich, ob jeder einzelne Verstoß den Verfall der Vertragsstrafe auslösen soll, oder ob mehrere Verstöße zu einer Einheit zusammenzufassen sind. Hierfür hat BGHZ 33, 163, 168 die Regel entwickelt, mehrere Einzelakte seien dann zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen und könnten die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine sog rechtliche Handlungseinheit bildeten (BGH NJW 09, 1882; BGHZ 146, 318, 326; BGH GRUR 15, 1021; 17, ...