Prof. Dr. Michael Stürner
I. Verfall der Strafe.
Rn 3
Nach I 1 (›verwirkte Strafe‹) muss die Strafe bereits verfallen sein. Eine vorsorgliche richterliche Herabsetzung des noch nicht verfallenen Strafversprechens kommt also nicht in Betracht; auch eine Feststellungsklage ist unzulässig (RG JW 13, 604).
Rn 4
Die Strafe muss noch verlangt werden können. Daher scheidet eine Herabsetzung aus, wenn der Gläubiger den Strafanspruch nach § 341 III durch vorbehaltlose Annahme der Leistung verloren hat.
Rn 5
Ebenso ist nach I 3 die Herabsetzung ausgeschlossen, wenn und soweit die Strafe entrichtet worden ist. Maßgeblich war die Erwägung, ein allzu großes Übermaß werde nicht bestanden haben, wenn der Schuldner gutwillig die ganze Strafe bezahlt habe (Prot I 786). Daher wird eine Herabsetzung noch gestattet, wenn der Schuldner bei der Zahlung ausdrücklich die Herabsetzung vorbehalten hat (MüKo/Gottwald Rz 17; Grüneberg/Grüneberg Rz 5). Auch soll ein Beitreiben der Strafe aufgrund eines nur vorläufig vollstreckbaren Titels die Herabsetzung nicht hindern, ebenso wenig eine Zahlung zur Abwendung dieser Vollstreckung (MüKo/Gottwald Rz 17). Dagegen hindert ein rechtskräftiges Urt die Herabsetzung.
Rn 6
Voraussetzung des Verfalls ist weiter, dass überhaupt ein wirksames Strafversprechen vorliegt, und dass die Strafe auch sonst wirksam gefordert werden kann. Daran fehlt es insb bei Eingreifen der §§ 125, 134, 138, 242 (unten Rn 13 ff).
II. Unverhältnismäßige Höhe der Strafe.
Rn 7
Schon bei der Entscheidung über die unverhältnismäßige Höhe sind die in I 2 genannten Gesichtspunkte zu beachten. Maßgeblich ist also insb jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse am Unterbleiben der pönalisierten Pflichtverletzung. Die Regeln für die Bemessung eines nach § 890 ZPO festzusetzenden Ordnungsgeldes spielen dabei allenfalls eine beschränkte Rolle, weil dieses nicht auch dem Schadensersatz dient (BGH NJW 94, 45, 46 [BGH 30.09.1993 - I ZR 54/91]). Der BGH aaO 47 nennt als regelmäßig maßgeblich den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und deren Funktion, Zuwiderhandlungen zu verhindern. Dafür sollen erheblich sein Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung, deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers und ggf die Funktion der Strafe als pauschalierter Schadensersatz; das Interesse des Schuldners an einer Verletzung soll beseitigt werden. Bei Versprechen durch Arbeitnehmer soll auch die Höhe des monatlichen Bruttoentgelts zu berücksichtigen sein (MüKo/Gottwald Rz 19). In Betracht kommen soll weiter, dass der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners eingetreten wäre (BGH NJW 74, 2089, 2091; fragl). Allein der Umstand, dass kein Schaden eingetreten ist, rechtfertigt die Herabsetzung nicht; entscheidend ist, welcher Schaden hätte entstehen können (Bremen ZMR 23, 623). Zur Höhe der Vertragsstrafe Leuschner ZIP 21, 1471.
Rn 8
Problematisch sind unter dem Gesichtspunkt der unverhältnismäßigen Höhe insb Strafversprechen, die nach Tagen etwa einer Verspätung beim Bau oder der (hohen) Zahl von Zuwiderhandlungen bemessen sind. Hier kann durch die Häufung eine unverhältnismäßige Höhe erreicht werden (zu § 307 vgl Rn 15; s etwa BGH NJW 13, 1362 [BGH 06.12.2012 - VII ZR 133/11]).
Rn 9
Str ist der für die Unverhältnismäßigkeit maßgebliche Zeitpunkt (Vereinbarung, Verwirkung, Geltendmachung durch den Gläubiger und letzte mündliche Verhandlung, vgl MüKo/Gottwald Rz 20). Zwar spricht einiges dafür, auf den Zeitpunkt der Verwirkung abzustellen (so 5. Aufl). Diese Ansicht läuft aber Gefahr, auf einer überholten Tatsachenlage zu urteilen, da es sich als entscheidend erweisen kann, ob weitere Vertragsverletzungen durch den Schuldner nur drohen oder bereits tatsächlich vorgefallen sind. Abzustellen ist damit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (MüKo/Gottwald Rz 20; Staud/Rieble 20, Rz 141).