Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) 1Ist eine verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. 2Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen. 3Nach der Entrichtung der Strafe ist die Herabsetzung ausgeschlossen.
(2) Das Gleiche gilt auch außer in den Fällen der §§ 339, 342, wenn jemand eine Strafe für den Fall verspricht, dass er eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
A. Funktionen des § 343 I.
Rn 1
Eine Vertragsstrafe wird typischerweise im Vertrauen darauf versprochen, es werde schon alles gut gehen. Dieser Gefahr wird (anders als bei der insoweit ähnlichen Bürgschaft) nicht durch eine Formvorschrift begegnet; das Versprechen wird nur vereinzelt von einer Formbedürftigkeit der zu sichernden Verbindlichkeit (zB nach § 311b I) erfasst. Vielmehr hilft § 343 hier unabdingbar durch die richterliche Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Strafe. Das läuft entgegen dem sonst im BGB Üblichen auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus (näher Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht 10, 147 ff). Zu den Neuerungen im Zusamenhang mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs Feddersen WRP 21, 713.
Rn 2
Nach § 348 HGB gilt § 343 nicht für Strafversprechen, die ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes (vgl § 344 I HGB) abgegeben hat. Dabei entscheidet, ob der Versprechende im Zeitpunkt seines Versprechens und nicht beim Verfall der Strafe Kaufmann war (BGHZ 5, 133, 134). Der BGH hat aaO den § 348 HGB unter ganz besonderen Umständen auch auf Nichtkaufleute angewendet, nämlich auf Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Das dürfte aber kaum verallgemeinerungsfähig sein. Wenigstens kommen die allg Schutzmittel gegen überhöhte Vertragsstrafen (u. Rn 13 ff) auch Kaufleuten zugute (MüKo/Gottwald Rz 4). Insb kommt eine Herabsetzung nach § 242 in Betracht; die Vertragsstrafe ist dann aber nicht auf die nach § 343 angemessene Höhe, sondern nur auf das Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 noch nicht rechtfertigen würde (BGH NJW 09, 1882 [BGH 17.07.2008 - I ZR 168/05]; speziell zum Bauvertrag Schmeel MDR 17, 1033).
B. Voraussetzungen für eine Herabsetzung.
I. Verfall der Strafe.
Rn 3
Nach I 1 (›verwirkte Strafe‹) muss die Strafe bereits verfallen sein. Eine vorsorgliche richterliche Herabsetzung des noch nicht verfallenen Strafversprechens kommt also nicht in Betracht; auch eine Feststellungsklage ist unzulässig (RG JW 13, 604).
Rn 4
Die Strafe muss noch verlangt werden können. Daher scheidet eine Herabsetzung aus, wenn der Gläubiger den Strafanspruch nach § 341 III durch vorbehaltlose Annahme der Leistung verloren hat.
Rn 5
Ebenso ist nach I 3 die Herabsetzung ausgeschlossen, wenn und soweit die Strafe entrichtet worden ist. Maßgeblich war die Erwägung, ein allzu großes Übermaß werde nicht bestanden haben, wenn der Schuldner gutwillig die ganze Strafe bezahlt habe (Prot I 786). Daher wird eine Herabsetzung noch gestattet, wenn der Schuldner bei der Zahlung ausdrücklich die Herabsetzung vorbehalten hat (MüKo/Gottwald Rz 17; Grüneberg/Grüneberg Rz 5). Auch soll ein Beitreiben der Strafe aufgrund eines nur vorläufig vollstreckbaren Titels die Herabsetzung nicht hindern, ebenso wenig eine Zahlung zur Abwendung dieser Vollstreckung (MüKo/Gottwald Rz 17). Dagegen hindert ein rechtskräftiges Urt die Herabsetzung.
Rn 6
Voraussetzung des Verfalls ist weiter, dass überhaupt ein wirksames Strafversprechen vorliegt, und dass die Strafe auch sonst wirksam gefordert werden kann. Daran fehlt es insb bei Eingreifen der §§ 125, 134, 138, 242 (unten Rn 13 ff).
II. Unverhältnismäßige Höhe der Strafe.
Rn 7
Schon bei der Entscheidung über die unverhältnismäßige Höhe sind die in I 2 genannten Gesichtspunkte zu beachten. Maßgeblich ist also insb jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse am Unterbleiben der pönalisierten Pflichtverletzung. Die Regeln für die Bemessung eines nach § 890 ZPO festzusetzenden Ordnungsgeldes spielen dabei allenfalls eine beschränkte Rolle, weil dieses nicht auch dem Schadensersatz dient (BGH NJW 94, 45, 46 [BGH 30.09.1993 - I ZR 54/91]). Der BGH aaO 47 nennt als regelmäßig maßgeblich den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und deren Funktion, Zuwiderhandlungen zu verhindern. Dafür sollen erheblich sein Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung, deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers und ggf die Funktion der Strafe als pauschalierter Schadensersatz; das Interesse des Schuldners an einer Verletzung soll beseitigt werden. Bei Versprechen durch Arbeitnehmer soll auch die Höhe des monatlichen Bruttoentgelts zu berücksichtigen sein (MüKo/Gottwald Rz 19). In Betracht kommen soll weiter, dass der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners eingetreten wäre (BGH NJW 74, 2089, 2091; fragl). Allein der Umstand, dass kein Schaden eingetreten ist, rechtfertigt die Herabsetzung nicht; entscheidend ist, welcher Schaden hätte entstehen können (Bremen ZMR 23, 623). Zu...