Prof. Dr. Michael Stürner
1. Anwendungsbereich.
Rn 6
Statt der Rückgewähr oder Herausgabe kommt nach II 1 Wertersatz in drei Fallgruppen in Betracht (Döll, Rückgewährstörungen beim Rücktritt, 11; Bartels AcP 215, 203): (1.) Die Natur des Erlangten schließt eine Rückgewähr oder Herausgabe aus, Nr 1. Das trifft zB zu für Dienstleistungen, Unterlassungen oder manche Werkleistungen, auch für die bloße Nutzung einer Sache, vgl § 346 2 aF. Krit bei der Rückgewähr von umgestalteten Immobilien Herrler DNotZ 23, 485.
Rn 7
(2.) Der Empfänger hat den Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet, Nr 2. Bei Verschulden hatte das früher idR den Rücktritt ausgeschlossen, § 351 aF, nach § 352 aF auch ohne Verschulden. Der neue Text ergibt, dass der Rücktritt möglich bleibt und der Gläubiger mit dem Wertersatz vorlieb nehmen muss (näher Kohler AcP 214, 362); aA wohl Dresd 23.5.23 – 4 U 1465/22 – juris Rz 28.
Rn 8
(3.) Der empfangene Gegenstand hat sich verschlechtert oder ist untergegangen, ohne dass dies durch den Empfänger veranlasst zu sein braucht. Dem stehen gleich andere Gründe für die Unmöglichkeit der Herausgabe, etwa ein Verlust der Sache. Ausgenommen ist lediglich die Verschlechterung, die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme (nicht den späteren Gebrauch) entstanden ist. Diese kann zB bei Kleidung oder Möbeln den Wert erheblich mindern. Der Wertersatz setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass es dem Schuldner unmöglich sein muss, den empfangenen Gegenstand in der ursprünglichen Form zurückzugeben (BGHZ 178, 182 Rz 18; BGH 9.2.21, VIII ZR 316/19 Rz 10).
2. Wertberechnung.
Rn 9
Auszugehen ist vom objektiven Marktwert und nicht vom Nutzen der Leistung gerade für den Gläubiger; insoweit bleibt der Wertersatz also ggf unter dem Schadensersatz. Für Modifikationen bei Rückabwicklung nach Widerruf s § 357 Rn 28.
Rn 10
Eine Sonderregelung trifft II 2 Alt 1 für den Fall, dass der durch den Rücktritt beendete Vertrag eine Gegenleistung bestimmt hat (dazu Fest ZGS 09, 126): Diese soll bei der Ermittlung des Wertersatzes zugrunde gelegt werden (BGHZ 178, 355; s.a. Kohler AcP 213, 46). Das gilt auch bei Rücktritt eines Geldgläubigers wegen Schuldnerverzuges, wenn der Geldwert der zu ersetzenden Leistung den Wert der Gegenleistung übersteigt, BGH ZIP 09, 81 Rz 13 ff. Bei einer minderwertigen Leistung soll die vereinbarte Gegenleistung entspr § 441 gemindert werden; das vereinbarte Entgelt ist auch nicht um den Gewinnanteil des Gläubigers zu kürzen, s BGH NJW 11, 3085 [BGH 14.07.2011 - VII ZR 113/10]; Grüneberg/Grüneberg Rz 10 (analoge Anwendung von § 441 III bzw. § 638 III).
Rn 11
Eine weitere Sonderregelung findet sich in II 2 für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens: Wenn hier der vereinbarte Zins den Marktüblichen überschreitet, soll der Schuldner diese Überschreitung nachweisen dürfen; er braucht dann nur die Marktüblichen Zinsen zu bezahlen.
Rn 12
Häufig ist ein Wert nicht für die Nutzungen selbst vereinbart, sondern für den nutzbaren Gegenstand (zB ein Kfz). Dann ist der Nutzungswert nach § 287 ZPO zu schätzen, idR in Anlehnung an die zeitanteilige lineare Wertminderung. Das ergibt für Kfz bei 1.000 km 0,3 % bis 1 % des Anschaffungspreises (zur Berechnung BGH VersR 21, 850; Beck NJW 18, 29; Wackerbarth NJW 18, 1713; Dastis/Hoeren NJW 19, 2430). Maßgeblich ist insoweit der Bruttoanschaffungspreis (BGH NJW 14, 2435 unter Verweis auf BGHZ 115, 47; BGH NJW 17, 3438 Rz 26 für Grundstückskaufvertrag). Der so ermittelte Nutzungswertersatz ist nicht um die Mehrwertsteuer zu erhöhen (BGH aaO). Der verbliebene Zeitwert des Kfz stellt die Obergrenze (›Kappungsgrenze‹) für den Ersatz der Nutzungsvorteile dar (Düsseldorf ZfSch 15, 268). Zur Vorteilsanrechnung bei Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags BGH NJW 17, 3438 [BGH 30.06.2017 - V ZR 134/16] Rz 29.
3. Stellvertretendes commodum.
Rn 13
Jedenfalls wenn im Rahmen der II Nr 2 und 3 Unmöglichkeit vorliegt, kommt § 285 zur Anwendung (str, dafür § 285 Rn 2; MüKo/Gaier Rz 110 f; Grüneberg/Grüneberg Rz 20; Lorenz NJW 15, 1725, 1727 mN auch zur Gegenansicht; diff Eichel/Fritzsche NJW 18, 3409). Das Surrogat kann für den Rückgewährgläubiger interessant sein, wenn es wertvoller ist als der zurückzugewährende Gegenstand. Vor der Schuldrechtsmodernisierung hat der BGH die Surrogatherausgabe bejaht (BGH NJW 83, 929 [BGH 27.10.1982 - V ZR 24/82]; offen gelassen zum neuen Recht in BGH NJW 15, 1748 [BGH 25.03.2015 - VIII ZR 38/14] Rz 21).