Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 23
Der Abs wurde durch das Gesetz v 10.8.21 (Rn 1) neu gefasst, um Art 16 I lit a VRRL umzusetzen und im Hinblick auf Reparaturverträge von der Öffnungsklausel des Art 16 III VRRL Gebrauch zu machen (Nr 3). Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch nach vollständiger Erbringung der Dienstleistung unter den in Nr 1–4 genannten Voraussetzungen.
Rn 23a
Nach der neu eingefügten Nr 1 erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag über Dienstleistungen, der den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet, sondern dem Unternehmer personenbezogene Daten zur Verfügung stellt (vgl § 312 Ia), wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat. Liegt ein Dauerschuldverhältnis vor, etwa ein Vertrag mit einem E-Mail-Provider oder einem ›Sozialen Netzwerk‹, ist die Dienstleistung nicht bereits bei erstmaliger Bereitstellung vollständig erbracht (BTDrs 19/27655, 29).
Rn 23b
Nr 2 betrifft Verträge, die den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichten; er modifiert IV 1 und 2 aF. Das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat (IV Nr 2 lit a). Die bloße Hinnahme der Erfüllung reicht damit nicht aus (BTDrs 17/12637, 61, s dazu für Partnerschaftsvermittlungverträge BGH NJW 21, 2885). Der Verbraucher muss Kenntnis davon haben, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert und dies dem Unternehmer bestätigen (IV Nr 2 lit b; s bereits BGH NJW 21, 2885; s dazu für Maklerverträge zum alten Recht BGH WM 19, 1985). Von dieser Kenntnis ist allerdings nicht schon dann auszugehen, wenn dem Verbraucher die Existenz des Widerrufsrechts bekannt ist oder er die Möglichkeit hatte, sich über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Es ist vielmehr erforderlich, dass er hierüber vom Unternehmer durch Aushändigung der erforderlichen Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular so belehrt worden ist, dass er nicht an der Ausübung des Widerrufsrechts gehindert wird (BGH NJW-RR 21, 177 [BGH 26.11.2020 - I ZR 169/19] Rz 63 ff). Kann der Verbraucher mangels Vorliegens der genannten Voraussetzungen den Vertrag widerrufen, ist zur möglichen Wertersatzpflicht des Verbrauchers § 357a II zu beachten (dort Rn 10 ff).
Rn 24
Das WoImmoKrRL-UG (Vor §§ 355 ff Rn 5) hatte in IV 2 aF die Maßgabe angefügt, dass bei Außergeschäftsraumverträgen die Zustimmung des Verbrauchers auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden muss. Damit sollten die Vorgaben des Art 7 III VRRL umgesetzt werden (BTDrs 18/5922, 73). Diese Vorgabe findet sich nunmehr in IV Nr 2 lit b.
Rn 24a
Mit der neu eingefügten Regelung in IV Nr 3 macht der Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art 16 III VRRL Gebrauch. Hat der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich zu einem Besuch aufgefordert, um Reparaturarbeiten vorzunehmen, ist es für den Verlust des Widerrufsrechts nicht mehr erforderlich, dass der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer erlischt. Dies gilt auch für alle weiteren Arbeiten, die der Unternehmer anlässlich eines solchen Besuchs aufgrund neuer vertraglicher Vereinbarungen vornimmt. Weiter erfasst sind Verträge iSd § 312g II Nr 11 2. HS. Durch die Absenkung der bei einem solchen Vertragsabschluss zu berücksichtigenden formalen Anforderungen soll den Besonderheiten der tatsächlichen Abschlusssituation Rechnung getragen werden (BTDrs 19/27655, 30).
Rn 25
IV Nr 4 entspricht IV 3 aF und bezieht sich speziell auf Verträge über Finanzdienstleistungen. Die Anforderungen sind strenger als bei IV Nr 1 und 2. Das Widerrufsrecht erlischt nur dann, wenn der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt wurde. Diese strengere Regelung geht zurück auf Art 6 II lit c FernabsFinDienstlRL, die für Verträge über Finanzdienstleistungen die Regelung des IV Nr 1 und 2 nicht zuließ.