Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) Die Widerrufsfrist beginnt auch nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat.
(2) Enthält bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag die dem Darlehensnehmer nach Absatz 1 zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 nicht, beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Absatz 6. Enthält bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag die dem Darlehensnehmer nach Absatz 1 zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht nach § 492 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 247 § 6 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche nicht, beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Absatz 6. In den Fällen der Sätze 1 und 2 beträgt die Widerrufsfrist einen Monat. Das Widerrufsrecht bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss oder nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt, wenn dieser nach dem Vertragsschluss liegt.
(3) Die Widerrufsfrist beginnt im Falle des § 494 Absatz 7 bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag erst, wenn der Darlehensnehmer die dort bezeichnete Abschrift des Vertrags erhalten hat.
A. Bedeutung und Reform.
Rn 1
Die Vorschrift wurde durch das VRRL-UG (dazu Vor §§ 355 ff Rn 2) neu gebildet (näher 12. Aufl Rn 1). Insgesamt dient § 356b der Umsetzung von Art 14 I VerbrKrRL 2008. Die Vorschrift enthält Sonderregelungen zum Beginn der Widerrufsfrist bei Verbraucherdarlehensverträgen (§ 491).
Rn 2
Das WoImmoKrRL-UG (Vor §§ 355 ff Rn 5) hat II und III umgestaltet. Die Neuregelung differenziert hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist zwischen Allgemein- und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Def § 491 II, III). Für beide gilt weiterhin die einmonatige Widerrufsfrist.
Rn 3
Das WoImmoKrRL-UG hat insb in II 4 eine absolute Höchstgrenze für die Ausübung des Widerrufsrechts eingeführt (näher Omlor NJW 16, 1265; krit Knops/Fromm ZIP 20, 1944; s dahin auch die noch zum alten Recht ergangene Entscheidung EuGH 11.9.19, C-143/18 – Romano, NJW 19, 3290 sowie nachfolgend BGH BKR 20, 84 [BGH 15.10.2019 - XI ZR 759/17]; näher Latta/Lühmann BKR 20, 69; allgemein zum ›ewigen‹ Widerrufsrecht § 356 Rn 18 ff). War der Verbraucher tatsächlich in Unkenntnis über das Widerrufsrecht, oder wurde er diesbezüglich durch falsche Informationen getäuscht, so ist der Widerruf nach Fristablauf ausgeschlossen; es kommen jedoch Schadensersatzansprüche in Betracht, die im Wege der Naturalrestitution auf eine Vertragsaufhebung hinauslaufen können (BTDrs 18/5922, 74).
Rn 4
Die Höchstgrenze gilt jedoch nur für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 III) und damit nicht für alle Finanzdienstleistungen (§ 312 V 1); sie erfasst auch Altfälle (Art 229 § 38 III EGBGB; s Omlor NJW 16, 1265).
B. Fristbeginn.
Rn 5
Bei Verbraucherdarlehensverträgen beginnt die Frist nicht schon mit dem Vertragsschluss (§ 355 II), sondern nach I erst dann, wenn der Verbraucher zusätzlich eine Vertragsurkunde oder etwas Ähnliches erhält. Der Fristbeginn erfordert nicht, dass die dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Abschrift seines Antrages von ihm auch unterschrieben worden ist. Eine Abschrift des Vertrages ist dem Verbraucher auch dann ›zur Verfügung gestellt‹ worden, wenn er diese umgehend einem von ihm beauftragten Dritten aushändigt (Frankf MDR 12, 508 [OLG Koblenz 05.03.2012 - 5 U 1499/11]). Dies gilt nur dann, wenn die in II 1 für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und in II 2 für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge genannten, reduzierten Pflichtangaben enthalten sind (Braunschw VuR 20, 397; einschr Ring NJW 20, 435); ansonsten beginnt die Widerrufsfrist erst mit der Nachholung dieser Angaben (§ 492 VI, s Karlsr WM 23, 975 Rz 50). Wegen der Ausgestaltung der Pflichtangaben im Zusammenhang mit der konkreten Angabe des Verzugszinssatzes (die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes soll hier nicht erforderlich sein, BGHZ 224, 1; anders jedoch im Geltungsbereich der VerbrKrRL BGH NJW 22, 2540 Rz 15) sowie über die Frage, ob ein nachvollziehbarer Rechenweg für die Vorfälligkeitsentschädigung angegeben werden muss (BGHZ 224, 1), hat der EuGH entschieden, dass die Rechenmethode konkret und für einen Durchschnittverbraucher leicht nachvollziehbar angegeben werden muss, damit dieser die Höhe der Entschädigung bestimmen kann (EuGH 9.9.21, C-33/20, C-155/20, C-187/20 – Volkswagen Bank, NJW 22, 40 Rz 96 ff). Nach Ansicht des BGH wirken sich fehlende Angaben zur Vorfälligkeitsentscheidung nicht auf das Anlaufen der Widerrufsfrist aus (BGH JZ 20, 1067 [BGH 28.07.2020 - XI ZR 288/19]). In diesem Fall beträgt die Widerrufsfrist abweichend von § 355 II 1 nach II 3 einen Monat (Beginn: mit Erhalt der nachgeholten Angaben, s § 494 VI 4). Die Pflichtangaben müssen allerdings nicht gesondert hervorgeh...