Prof. Dr. Michael Stürner
I. Regelungsgegenstand und Reform.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Rechtsfolgen des Widerrufs von Fernabsatzverträgen sowie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, sofern diese keine Finanzdienstleistungen betreffen. Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 357 ergibt sich aus der amtlichen Überschrift. § 357 wurde durch das VRRL-UG (dazu Vor §§ 355 ff Rn 2) völlig neu gefasst und dient der Umsetzung der Art 13, 14, 6 VI, 7 III, 8 VIII und 11 II VRRL. § 361 I sperrt weitergehende Ansprüche gegen den Verbraucher. Spezialregelungen bestehen für Verträge über Finanzdienstleistungen (§ 357b), für Teilzeit-Wohnrechteverträge und ähnliche Vertragsverhältnisse (§ 357c) sowie für bestimmte Ratenlieferungsverträge (§ 357d) (näher Rn 4).
Rn 2
Auch § 357 aF traf Bestimmungen zu den Rechtsfolgen des Widerrufs eines Vertrags. Jedoch waren vom Anwendungsbereich des § 357 aF sämtliche Verbraucherverträge erfasst, eine Beschränkung auf bestimmte Vertriebsformen wie in der geltenden Fassung bestand nicht. Die wesentliche Neuerung des § 357 nF liegt jedoch darin, dass hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs fortan nicht mehr auf die §§ 346 ff verwiesen wird, sondern die Widerrufsfolgen in § 357 eigenständig geregelt sind. Neu ist auch, dass § 357a abschließende Bestimmungen zu Wertersatzansprüchen des Unternehmers enthält. § 357 III 1 aF wurde im Vergleich dazu für Fernabsatzverträge durch § 312e aF ergänzt. Die Bestimmung des § 312e II aF fand sich in der Folge mit nur geringer inhaltlicher Änderung in § 357 VIII 1, 2 aF wieder. Das in § 357 I 1 aF geregelte Rückgaberecht ist im Zuge der Reform entfallen, da die VRRL ein solches nicht vorsieht. Das Gesetz v. 10.8.21 (BGBl I 3483; s. Vor §§ 312 ff Rn 4a) hat mWv 28.5.22 im Zuge der Umsetzung der sog ModernisierungsRL die bisherigen V und VI als V bis VII ohne inhaltliche Änderung neu strukturiert und einen neuen VIII eingefügt. Die bisherigen VII bis IX über den bei Widerruf zu leistenden Wertersatz wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit in den neu einzufügenden § 357a verschoben.
II. Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften.
1. Zu §§ 355, 357b–d.
Rn 3
§ 357 ist im Zusammenhang zu sehen mit § 355, der in III 1–4 grundlegende Bestimmungen zu den Rechtsfolgen des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen enthält, die auch für die § 357 unterfallenden Vertriebsformen gelten. Ggü § 355 III 1 enthält I für die Frist zur Rückgewährung der ausgetauschten Leistungen eine spezielle Vorschrift.
Rn 4
Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen findet § 357 keine Anwendung, auch wenn diese Verträge im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden. Maßgeblich ist vielmehr § 357b, der für diese Verträge eine abschließende Sonderregelung enthält. Nichts anderes gilt für das Verhältnis von § 357 und § 357c, der sich auf Verträge über Teilzeit-Wohnrechte, ein langfristiges Urlaubsprodukt sowie Vermittlungs- und Tauschsystemverträgen bezieht (vgl BTDrs 17/12637, 65). Die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Ratenlieferungsvertrags iSd § 510 I sind, sofern dieser im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, von § 357 erfasst. Wird ein Ratenlieferungsvertrag widerrufen, der in keiner dieser beiden Vertriebsformen geschlossen wurde, findet § 357d Anwendung (s dazu § 357d Rn 2 ff).
2. Zu § 356.
Rn 5
§§ 357, 357a stehen auch im Zusammenhang mit § 356, der die Voraussetzungen des Widerrufsrechts für Verträge regelt, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden. Hervorzuheben ist dabei das Zusammenspiel von § 357a II 1, 2 und § 356 IV, die sich auf Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge über Dienstleistungen beziehen (dazu § 357a Rn 10 ff) sowie von § 357a III und § 356 V, die Verträge über digitale Inhalte betreffen, die in diesen Vertriebsformen geschlossen wurden (dazu § 357a Rn 18).
3. Zu §§ 346 ff.
Rn 6
In § 357 sind die Rechtsfolgen des Widerrufs für Verträge, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen wurden, abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf die Regelungen des Rücktrittsrechts ist nicht möglich. Damit entfallen (anders als das nach § 312e I aF möglich war) Nutzungs- und Verwendungsersatzansprüche nach § 347. Auch § 348 (Leistung Zug-um-Zug) findet bei der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zwischen Unternehmer und Verbraucher keine Anwendung, dem Unternehmer steht jedoch das in IV geregelte Zurückbehaltungsrecht zu (BTDrs 17/12637, 63).