Prof. Dr. Michael Stürner
I. Grundsatz.
Rn 7
Nach § 355 III sind die empfangenen Leistungen nach Erklärung des Widerrufs unverzüglich zurückzugewähren (§ 355 Rn 13). Für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge enthält § 357 I zusätzlich die Höchstfrist von 14 Tagen (vgl Art 13 I, 14 I VRRL). Für Verträge über Finanzdienstleistungen gilt § 357b I (30 Tage). Fristbeginn: § 355 III 2. Nach § 286 II Nr 2 tritt Verzug ein. § 288 V gilt nicht, da der Rückzahlungsanspruch keine Entgeltforderung ist (Korch NJW 15, 2212).
II. Hinsendekosten, II.
Rn 8
Die sog Hinsendekosten sind nach II 1 in Umsetzung von Art 13 II VRRL vom Unternehmer zu tragen. Dies entspricht der Rspr des EuGH zur alten FernabsRL (EuGH 15.4.10, C-511/08 – Heinrich Heine, NJW 10, 1941 [EuGH 15.04.2010 - Rs. C-511/08]; zur richtlinienkonformen Auslegung der §§ 357 I, 346 aF BGH NJW 10, 2651 [BGH 07.07.2010 - VIII ZR 268/07]). Eine Ausnahme besteht nach II 2 nur insoweit, als die Ware auf Wunsch des Verbrauchers mit einer anderen als der vom Unternehmer angebotenen Standardlieferung versandt wurde. Diese Einschränkung soll so zu verstehen sein, dass der Verbraucher keinen Anspruch auf den Differenzbetrag zwischen der angebotenen Standardlieferung und der tatsächlich erfolgen Lieferungsart hat (BTDrs 17/12637, 63).
III. Zahlungsmittel, III.
Rn 9
Nach dem auf Art 13 I 2 VRRL zurückgehenden III muss der Unternehmer für die Rückzahlung dasselbe Zahlungsmittel verwenden wie der Verbraucher bei der Zahlung. Im Einzelnen heißt das: Hat der Verbraucher bar bezahlt, muss auch der Unternehmer ihm den Betrag bar erstatten, erfolgte die Zahlung durch Überweisung oder im Lastschriftverfahren, muss der Unternehmer den Betrag auf das Konto des Verbrauchers zurückerstatten. Ein Gutschein kann dem Verbraucher nur in den Fällen ausgestellt werden, in denen dieser auch zur Zahlung einen Gutschein eingesetzt hat (BTDrs 17/12637, 63). III 2 lässt jedoch eine abweichende Vereinbarung dann zu, wenn sie ausdrücklich erfolgt (AGB genügen daher wohl nicht; s zur Rückzahlung in Gutscheinform Willems NJW 18, 1049) und für den Verbraucher infolge einer solchen Rückzahlung keine Kosten anfallen.
IV. Rückabwicklung bei Verbrauchsgüterkauf, IV.
Rn 10
Die Vorschrift setzt Art 13 III VRRL um; sie greift den Rechtsgedanken des früheren Rückgaberechts (§ 356 aF) auf (BTDrs 17/12637, 63), das im Rahmen der Umsetzung der VRRL ersatzlos gestrichen wurde und enthält eine Sonderregel für die Rückabwicklung bei Verbrauchsgüterkäufen (Definition: § 474 I). Danach ist der Verbraucher mit seiner Rückgabepflicht (§ 355 III 1) grds vorleistungspflichtig (IV 1).
Rn 10a
Daraus ergibt sich ein Leistungsverweigerungrecht des Unternehmers, bis der Verbraucher seine Rückgabepflicht erfüllt hat. Veräußert der Verbraucher die Sache an einen Dritten, wird es zum dauerhaften Leistungsverweigerungsrecht (BGHZ 236, 148; München MDR 23, 179: peremptorische Einrede nach § 813 S 1). Das gilt ausnahmsweise nicht, wenn der Unternehmer der Veräußerung zugestimmt hat (BGHZ 236, 132). Das Leistungsverweigerungsrecht besteht, bis die Sache zurückerhalten oder der Nachweis der Absendung erbracht ist (BGH 18.10.22, XI ZR 226/21 – juris). Zu den Auswirkungen der Unmöglichkeit auf das Zurückbehaltungsrecht Brinkmann DAR 23. 351; Freitag ZIP 23, 829; für die Fälle der Weiterveräußerung Strobel NJW 23, 1250. Eine Berufung auf das Leistungsverweigerungsrecht ist selbst bei Zurückweisung des Widerrufs nicht treuwidrig (Stuttg 17.3.23, 6 U 163/22 – juris Rz 19). Das Leistungsverweigerungsrecht bezieht sich auch auf den Anspruch auf Kapitalnutzungsersatz (Braunschw 28.2.23, 4 U 11/21 – juris Rz 24).
Rn 10b
Die Vorleistungspflicht gilt nur dann nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen (IV 2). Tritt diesbezüglich Verzug ein, so gilt die Haftungserleichterung des § 300 I; der Verbraucher kann ggf entstehenden Aufbewahrungskosten nach § 304 ersetzt verlangen (MüKo/Fritsche § 361 Rz 12).
Rn 10c
Der Unternehmer ist für den Rückerhalt der Sache zu Mitwirkungshandlungen verpflichtet (Braunschw NJW-RR 23, 1415 [BGH 25.05.2023 - IX ZR 116/21]).