Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 1
Häufig erreicht der Verbraucher sein Ziel nicht mit einem einzigen Vertrag. Vielmehr muss er zwei Verträge schließen: Einen Vertrag über die letztlich erstrebte Leistung (meist Kauf- oder Werkvertrag, aber nach BGHZ 156, 46, 50 auch Erwerb einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft) und einen zweiten Vertrag zur Finanzierung der aus dem ersten Vertrag geschuldeten Gegenleistung. Dieser zweite Vertrag stellt idR ein Verbraucherdarlehen (§§ 491 ff) dar und wird mit einem anderen Partner abgeschlossen. Diese Aufspaltung in zwei Verträge bringt dem Verbraucher Gefahren: Ihm nützt zB ein Widerruf des Darlehens (§ 495) wenig, wenn er nicht auch den Kauf lösen kann. Umgekehrt bringt ein Widerruf des Kaufs (zB nach § 312g) kaum Nutzen, wenn der Verbraucher an das Darlehen gebunden bleibt. S dazu etwa Wojtkowiak, Der Rückforderungsdurchgriff beim verbundenen Geschäft nach dem modernisierten Schuldrecht, 11; zum Widerruf von Darlehensverträgen iRd ›Dieselskandals‹ Herresthal ZIP 18, 753; Schön BB 18, 2115.
Rn 2
Diese Problematik war früher in § 9 VerbrKrG, § 4 FernAbsG, § 4 Teilzeit-WohnRG geregelt. Insb zu § 9 III VerbrKrG gibt es eine umfangreiche Rspr und Lit zu dem fremdfinanzierten ›Strukturvertrieb‹ sog ›Schrottimmobilien‹. Dabei bestanden zunächst Unterschiede zwischen dem II. und XI. ZS des BGH (vgl etwa BGH XI. ZS ZIP 04, 606; II. ZS ZIP 04, 1394). Jetzt findet sich eine Regelung in den §§ 358, 359: § 358 I und II lässt den Widerruf eines Vertrages unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den anderen wirken (Widerrufsdurchgriff); § 359 lässt Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag auch gegen das Darlehen zu (Einwendungsdurchgriff). Insgesamt ist die Regelung in § 358 kompliziert und teils schwer zu verstehen. Zu Gunsten des Verbrauchers ist sie einseitig zwingend.
Rn 3
Durch das FernabsAnpG vom 27.7.11 (BGBl I 1600), in Kraft getreten am 4.8.11 (dazu Vor §§ 312 ff Rn 2), wurden in I, III und IV 2 der Begriff ›Verbraucherdarlehensvertrag‹ durch ›Darlehensvertrag‹ ersetzt. In II wurde eine Bezugnahme auf die Voraussetzungen des § 495 I eingefügt; eine sachliche Änderung der Rechtslage war damit aber nicht intendiert (RegE BTDrs 17/5097, 18). Mit dem VRRL-UG, das die §§ 355 ff neu gefasst hat, wurde der bisherige V ersatzlos gestrichen. Die Bestimmung konnte aufgrund der Vorgaben der VRRL, die den §§ 355 ff nF zugrunde liegt (dazu Vor §§ 355 ff Rn 2) nicht mehr bestehen bleiben (vgl BTDrs 17/12637, 66). Die in § 359a III aF enthaltene Regelung ist nunmehr V geworden. Die in IV 1 enthaltenen Verweisungen wurden im Zuge der Umsetzung der VRRL an die §§ 355 ff nF angepasst. Weitere Verweisungen auf die §§ 355 ff wurden in IV 2, 3 nF aufgenommen. IV 2, 3 aF sind jetzt IV 4, 5 nF. I, II und III blieben durch das VRRL-UG unverändert. Grund ist, dass diese ihre Grundlage nicht in den Bestimmungen der VRRL finden, sondern auf Art 15 der VerbrKrRL (Richtlinie 2008/48/EG) sowie auf Art 7 der TeilzeitnutzungsRL (Richtlinie 97/81/EG) zurückgehen. Die VRRL enthält in Art 15 allein Bestimmungen zu den sog zusammenhängenden Verträgen (§ 360 nF) und verweist im Übrigen auf die VerbrKrRL. Aus diesem Grund beansprucht die im Folgenden aufgeführte, sich auf I, II und III beziehende umfangreiche Rspr auch weiterhin Geltung. Das WoImmoKrRL-UG (Vor §§ 355 ff Rn 5) hat II neu gefasst; der Widerrufsdurchgriff gilt nun auch für unentgeltliche Verbraucherdarlehensverträge (Rn 22). Das Gesetz v 10.8.21 (BGBl I 3483; s Vor §§ 312 ff Rn 4a) hat mWv 28.5.22 im Zuge der Umsetzung der sog ModernisierungsRL zu redaktionellen Folgeänderungen in IV geführt.