Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
1. Grundlagen.
Rn 6
Die Vorschrift setzt das objektive Vorliegen der Leistung, die sog reale Leistungsbewirkung, voraus. Es reicht demgemäß aus, dass die Leistung einer bestimmten Forderung zugeordnet werden kann (BGH NJW 07, 3488: unmittelbare Leistung des Subunternehmers an Auftraggeber). Ein weiteres subjektives Merkmal muss nicht vorliegen. Insb bedarf es keiner vertraglichen Vereinbarung, dass ein bestimmter Gegenstand oder eine bestimmte Handlung als Erfüllung dienen soll (BGHZ 218, 261 Rz 15). Ebenso bedarf es nicht des Elements der finalen Zweckbestimmung der Erfüllungshandlung, wie dies die Theorie von der finalen Leistungsbewirkung annimmt. Die erforderliche Zweckbestimmung ist, soweit der Rechtsverkehr auf sie angewiesen ist, schon im Leistungsbegriff selbst enthalten (hiervon ausgehend etwa BGH NJW 84, 721 [BGH 26.10.1983 - IVa ZR 80/82], wo es allerdings deshalb einer Abrede bedurfte, weil der Gläubiger zunächst eine Überweisung verlangte und erst bei Zahlung Bargeld akzeptierte). Außerdem sieht das Gesetz zugunsten des Schuldners wie des Gläubigers voluntative Elemente vor, die aber am grds Ausreichen der realen Leistungsbewirkung nichts ändern. So kann der Schuldner den Eintritt der Erfüllungswirkung durch eine Tilgungsbestimmung nach § 366 I final steuern. Das schließt die Befugnis ein, die Erfüllungswirkung einer Zahlung durch eine negative Zweck- oder Tilgungsbestimmung zu verhindern. Erklärt der Schuldner, die zur Erfüllung einer bestimmten Forderung geeignete Leistung solle nicht deren Erfüllung dienen, so bleibt diese bestehen (BGH WM 72, 1276). Demgegenüber kann der Gläubiger den Eintritt der Erfüllungswirkung beeinflussen, indem er sich iSv § 363 für oder gegen die Annahme einer Leistung als Erfüllung entscheidet.
2. Leistung.
a) Grundlagen.
Rn 7
Die Leistung muss objektiv erbracht worden sein. Maßgebend für den Eintritt der Erfüllung ist der Leistungserfolg. Die Vornahme der Leistungshandlung genügt hingegen nicht ohne Weiteres (BGHZ 87, 156; NJW 99, 210). So bedarf es beim Versendungskauf nicht nur der Übergabe an einen Spediteur, sondern der Übergabe durch die Transportperson an den Käufer (BGHZ 1, 4); die Rechtsschutzversicherung hat nicht bereits mit Zusage der Abwehrdeckung erfüllt (BGH NJW 18, 1971). Beschränkt sich die geschuldete Pflicht auf die Vornahme einer Handlung, so tritt mit der Handlung zugleich der Leistungserfolg ein. Soweit dies nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses erforderlich ist (was regelmäßig der Fall sein wird), muss der Gläubiger über die Leistung (bei der Überweisung: über den Gutschriftbetrag) uneingeschränkt verfügen können und diese insb auch behalten dürfen (BGH NJW 96, 1207; NJW 99, 210; DStR 05, 297; Nürnbg WM 09, 1191). Deshalb genügt der Einwurf von Bargeld in den Gläubiger-Briefkasten nicht; erforderlich ist, dass der Gläubiger es tatsächlich erlangt (AG Köln NJW 06, 1600). Das Erlangen der Verfügungsgewalt wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger dem Schuldner bei der Verschaffung von zur Erfüllung verwendeten Kreditmitteln behilflich ist und dem Kreditgeber ggü haftet (BGHZ 97, 197: Akzeptantenwechselverfahren). Nimmt der Schuldner mehrere Handlungen vor, die jede für sich zur Erfüllung führen können, so sind diese grds getrennt zu betrachten; Erfüllung tritt ein, wo der Leistungserfolg herbeigeführt wird (Stuttg ZIP 85, 238). Nach Eintritt der Erfüllungswirkung eingetretene, zumal unvorhersehbare Entwicklungen bleiben unberücksichtigt (vgl LG Halle 3.12.09, 4 O 1119/09).
Rn 8
Zur Leistung verpflichtet und berechtigt ist der Schuldner. Der Schuldner kann Hilfspersonen (etwa Erfüllungsgehilfen, § 278) einschalten, soweit er nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses nicht ausnahmsweise höchstpersönlich leisten muss. Die Zulässigkeit der eigenen Leistung eines Dritten richtet sich nach §§ 267, 268, 1150, 1249 (zur Unterscheidung BGH ZIP 08, 1911).
Rn 9
Grds ist an den Gläubiger zu leisten. Ihm steht die Empfangszuständigkeit zu. Sie fehlt, wenn dem Gläubiger die Verfügungsmacht über die Forderung entzogen ist (arg ex §§ 362 II, 185 u §§ 1813, 1812), etwa bei §§ 136, 1984, 2211; § 829 ZPO; § 23 ZVG; §§ 80, 82 InsO (BGHZ 218, 261 Rz 15; Rn 18 aE). Geschäftsunfähigen fehlt die Empfangszuständigkeit. Beschränkt Geschäftsfähigen ggü ist zwar nach § 107 eine Übereignung möglich; das Erlöschen der Forderung ist hingegen ein rechtlicher Nachteil, der in entspr Anwendung von § 107 eine Einwilligung (§ 182) voraussetzt. Erfüllung tritt ein, wenn die Leistung an den gesetzlichen Vertreter weitergeleitet oder der Empfang durch den Minderjährigen als Leistung an Erfüllungs statt genehmigt wird (zum Ganzen Gernhuber Erfüllung 115 ff; teilw str). Auch der Betreute unter Einwilligungsvorbehalt ist nicht empfangszuständig (BGH NJW 15, 2497); auf die Kenntnis des Schuldners von der Betreuung kommt es nach dem Gesetz nicht an (aA LG Oldenburg WM 13, 1411); allerdings kann eine Pflichtverletzung vorliegen, wenn der Betreuer zB die Bank des Betreuten nicht über den Vorbehalt informiert. Bei Gesamtgläubige...