Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Gesetzestext
Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei.
A. Überblick.
Rn 1
Die wesentliche Wirkung des § 363 besteht darin, dass der Gläubiger die mangelnde Erfüllungseignung einer Leistung beweisen muss, nachdem er eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als solche angenommen hat, und diese anschließend nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder unvollständig gewesen sei (Saarbr OLGR 02, 183). Die Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für die unvollständige und die andersartige, sondern auch für die mangelhafte Leistung (BGH JZ 64, 425; NJW 09, 3099).
B. Annahme als Erfüllung.
I. Erfüllung.
Rn 2
Der Anwendungsbereich der Vorschrift knüpft mit dem Merkmal der Erfüllung an § 362 an. Sie gilt für alle Forderungen, die iSd § 362 erfüllt werden können. Erfasst werden nicht nur einmalige Sach- oder Geldleistungen. Die Vorschrift ist auch auf die dauerhafte Gebrauchsüberlassung iRe Miet-, Pacht-, Leasing- oder Leihvertrags anwendbar. Ihr Anwendungsbereich umfasst hier insb die anfängliche Besitzüberlassung an den Gläubiger (BGH NJW 85, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84] u NJW 09, 3099: Miete; NJW 88, 204 [BGH 01.07.1987 - VIII ZR 117/86]; NJW 89, 3222 [BGH 05.07.1989 - VIII ZR 334/88]; NJW-RR 90, 1462 [BGH 27.06.1990 - VIII ZR 72/89]: Leasing). Sie gilt ferner für unkörperliche Leistungen werk- oder dienstvertraglicher Art, zB Beratungsleistungen (BGH NJW 86, 2570 [BGH 22.01.1986 - IVa ZR 105/84]). Im Falle der §§ 437 Nr 1, 439 u §§ 634 Nr 1, 635 kommt es darauf an, ob die zum Zwecke der Nacherfüllung angediente Leistung angenommen wurde (BGH VRS 116, 174; NJW 11, 1664).
II. Annahme.
Rn 3
Der Begriff der Annahme in § 363 ist dem äußeren Tatbestand nach gleichbedeutend mit demselben Merkmal in § 341 III und demjenigen der Abnahme in § 640 (BGH NJW 61, 115; RGZ 57, 337). Eine Annahme als Erfüllung setzt zweierlei voraus, nämlich erstens, soweit erforderlich, die körperliche Hinnahme der Leistung, etwa der Besitzübertragung, sowie zweitens die Billigung als im Wesentlichen ordnungsgemäße Erfüllung. Die Annahme ist jedoch – im Gegensatz zur Abnahme iSv § 640 – kein Rechtsgeschäft (tatsächliche Billigung genügt). Inwieweit sie eine geschäftsähnliche Handlung darstellt und die Regeln über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden sind, ist umstritten (dafür BGH NJW-RR 13, 1232 [BGH 12.06.2013 - XII ZR 50/12] Rz 38; aA mit Recht Gernhuber Erfüllung 28, weil sich ihre Wirkung auf eine Beweislastumkehr beschränkt).
Rn 4
Ob eine Leistung als Erfüllung angenommen, dh gebilligt wird, ist eine Frage der Auslegung des Gläubigerverhaltens (insofern zutr BGH NJW-RR 13, 1232 [BGH 12.06.2013 - XII ZR 50/12] Rz 38). Entscheidend ist, dass der Gläubiger erkennen lässt, dass er die Leistung als solche entgegenzunehmen bereit ist (RGZ 59, 378). Als Verkörperung einer Annahme kommen auch Quittungen, Empfangsbestätigungen, Übernahmebescheinigungen oder ähnliche Dokumente in Betracht, wenn sie über die Bestätigung des Empfangs hinaus auch die Billigung zum Ausdruck bringen. Dies ist typischerweise dann der Fall, wenn der Gläubiger bestätigt, einen Gegenstand für eine bestimmte Schuld ordnungsgemäß erhalten zu haben. So hat die Rspr § 363 angewandt auf Übernahmebestätigungen bei Leasingverträgen (BGH NJW 88, 204 [BGH 01.07.1987 - VIII ZR 117/86]; NJW 89, 3222 [BGH 05.07.1989 - VIII ZR 334/88]; NJW-RR 90, 1462 [BGH 27.06.1990 - VIII ZR 72/89]). Bescheinigt der Gläubiger den Empfang verpackter Ware, so liegt hierin keine Bestätigung, dass der Inhalt unbeschädigt ist (Naumbg OLGR 05, 109). Die Annahme zur Prüfung des Leistungsgegenstands reicht nicht aus (Karlsr OLGZ 91, 370). Eine unter Vorbehalt erklärte Annahme genügt ebenfalls nicht (BGH NJW 09, 360). Eine bestimmte Form oder eine ausdrückliche Erklärung ist nicht erforderlich. Rügt der Gläubiger aber unverzüglich nach Entgegennahme einen Mangel, greift § 363 nicht (AG Altötting, 19.1.21 – 2 C 565/20).
Rn 5
Bei Geldschulden deutet der Verkehr die Entgegennahme eines geschuldeten Geldbetrages und dessen Nachzählen als Annahme der zur Schuldtilgung angebotenen Leistung als Erfüllung (BGH NJW 84, 721 [BGH 26.10.1983 - IVa ZR 80/82]). Im Falle der Gebrauchsüberlassung wird meist der widerspruchsfreie Gebrauch ausreichen (BGH NJW 85, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84]); anders liegt es, wenn der Gläubiger zum Ausdruck bringt, er nehme die Sache entgegen, sehe sie aber wegen eines konkreten Mangels nicht als vertragsgemäße Leistung an (BGH NJW-RR 13, 1232 [BGH 12.06.2013 - XII ZR 50/12] Rz 37). Bei Beratungsleistungen kann die Billigung des Beratungsgesprächs genügen (BGH NJW 86, 2570 [BGH 22.01.1986 - IVa ZR 105/84]). Die bloße Bezahlung einer Sachleistung, zumal wenn sie mit deren Entgegennahme zeitlich nicht zusammenfällt, reicht nicht ohne Weiteres als Annahme (Fra...