Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 1
Die Leistung an Erfüllungs statt ist zulässig, wenn dies entweder vereinbart wurde oder der Gläubiger ohne solche Vereinbarung statt der geschuldeten Leistung eine andere an deren Stelle annimmt. Die Vereinbarung kann, wie in I geregelt, bei der Erfüllung getroffen werden oder aber der Leistung vorausgehen und schon bei der Begründung der Schuld zustande kommen (BGHZ 89, 126). Wird die Vereinbarung vor der Erfüllung getroffen, so begründen die Parteien damit eine Ersetzungsbefugnis des Schuldners, also die Befugnis, anstelle des eigentlich Geschuldeten (oder eines Teils davon) einen anderen Gegenstand zu leisten (§ 262 Rn 7). Macht der Schuldner hiervon Gebrauch, so liegt eine Leistung an Erfüllungs statt und keine Erfüllung vor (BGHZ 46, 338; 89, 126). Ein praktisch häufiger Anwendungsfall ist die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens als an die Stelle der Kaufpreiszahlung tretende Leistung an Erfüllungs statt (BGHZ 46, 338; 89, 126; aA Oldbg NJW-RR 95, 689). Ohne Vereinbarung braucht sich der Gläubiger auf eine Leistung an Erfüllungs statt nicht einzulassen. Eine Leistung an Erfüllungs statt ist sowohl auf der Seite der Sachleistung möglich (zB bei einem Upgrade gegenüber dem vertraglich gebuchten Hotelzimmer) als auch beim Geldleistungsschuldner (zB durch Abtretung einer Forderung, BGH NJW 23, 1718 [BGH 07.02.2023 - VI ZR 137/22] Rz 35 oder Hingabe eines Wertgegenstands).
Rn 2
Während bei der Ersetzungsbefugnis der Rechtsnatur nach klar ist, dass es sich um eine Vertragsergänzung in der Gestalt einer auf die Erfüllung bezogenen Hilfsabrede handelt (vgl BGH NJW 84, 329), ist die Rechtsnatur der Annahme als Leistung an Erfüllungs statt nicht abschließend geklärt. ZT findet sich die These, es handele sich um einen Austauschvertrag, bei dem der Gläubiger den an Erfüllungs statt gegebenen Gegenstand im Austausch gegen seine Forderung erwirbt (BGH NJW 67, 553 [BGH 18.01.1967 - VIII ZR 209/64]). Das erscheint konstruktiv freilich unnötig kompliziert. Zwischen der vorherigen und späteren Vereinbarung über die Zulässigkeit einer Leistung an Erfüllungs statt braucht nicht differenziert zu werden (BGH NJW 84, 329), so dass auch insoweit eine auf die Erfüllung bezogene Ergänzungsabrede anzunehmen ist.
Rn 3
Ob ein Dritter zur Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt befugt ist, hängt vom Umfang seiner Vertretungsmacht ab. Auch der zum Forderungseinzug iRe Einzugsermächtigung Berechtigte bedarf einer Befugnis zu einer solchen Abrede, wobei typischerweise zu prüfen ist, inwieweit eine solche Befugnis mit dem Zweck seiner Beschränkung auf eine bloße Einzugsermächtigung vereinbar ist (BGH NJW 02, 1417 [BGH 29.11.2001 - IX ZR 389/98]).
Rn 4
Die Erfüllungswirkung des an Erfüllungs statt hingegebenen Gegenstands bestimmt sich bei etwaigen Leistungsstörungen in Bezug auf den Ersatzgegenstand nach allgemeinen Regeln und beseitigt die Erfüllungswirkung nicht ohne Weiteres. Vielmehr haftet der Schuldner hierfür nach Leistungsstörungs-, Sach- und Rechtsmangelvorschriften, § 365 (§ 365 Rn 7; Hamm NJW-RR 88, 266). Im Falle der Rückabwicklung des Vertrags infolge eines Rücktritts des Schuldners in seiner Eigenschaft als Sachleistungsgläubiger (§§ 323, 437 Nr 2) kann dieser grds nur den an Erfüllungs statt hingegebenen Gegenstand zurückverlangen (BGHZ 89, 126). Das schließt aber weitergehende Schadensersatzansprüche unter Einschluss des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung nicht aus (Binder NJW 03, 393). Der zufällige Untergang des Ersatz-Leistungsgegenstands entbindet den Schuldner nicht von der Vertragserfüllung. Scheitert deswegen die vereinbarte Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens, muss der Käufer den vollen Kaufpreis zahlen (BGH NJW 84, 329; Binder NJW 03, 393). Diese in der Rspr anerkannte Maßgabe bedarf dann der Einschränkung, wenn ein überhöhter Inzahlungnahmepreis vereinbart wurde, dem wirtschaftlich die Funktion eines Rabatts beim Neuwagenpreis zukommt.