Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 5
Die Leistung erfüllungshalber ist im Gesetz nicht geregelt. Ihre Zulässigkeit kann aber von den Parteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit zu jedem Zeitpunkt, bei Vertragsschluss oder nachträglich, vereinbart werden. Diese Vereinbarung bewirkt, dass der Schuldner befugt ist, dem Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung anzudienen und der Gläubiger verpflichtet ist, zunächst aus diesem anderen Leistungsgegenstand Befriedigung zu suchen. Bei der Frage, welchen Gegenstand die Parteien als Leistung erfüllungshalber vorsehen, sind sie aufgrund ihrer Vertragsfreiheit nicht gebunden. Es kann sich um Instrumente des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, einen Gutschein oder bspw um eine erfüllungshalber abgetretene Forderung (§ 398) handeln. Auch Instrumente, die in erster Linie als Sicherheit in Betracht kommen wie die Gestellung einer Bankgarantie, können eine Leistung erfüllungshalber sein (vgl Schlesw NJW-RR 97, 1415 [OLG Schleswig 24.05.1996 - 1 U 54/94]). Welche Art der Berechtigung an dem erfüllungshalber hingegebenen Gegenstand besteht, hängt von den Parteiabreden ab. Typischerweise wird eine fiduziarische Vollrechtsübertragung erforderlich sein. Deshalb ist ein Übererlös grds auszukehren (BGH NJW 18, 3018 [BGH 19.07.2018 - IX ZR 296/17] Rn 15). Für welche Forderungen die Leistung erfüllungshalber hingegeben wurde, ist im Zweifel durch Auslegung der Parteiabreden zu ermitteln. Dies kann sich auch aus der Art des erfüllungshalber hingegebenen Leistungsgegenstands ergeben (BGHZ 116, 278). Der Gläubiger braucht sich grds nicht auf eine Leistung erfüllungshalber einzulassen; er kann also zB die Annahme eines ihm angebotenen Schecks oder Wechsels verweigern (Frankf NJW 87, 455). Anders liegt es, wenn eine Verpflichtung hierzu begründet wurde. So liegt es beim Kreditkartenverfahren, weil sich die Akzeptanzstelle ggü dem Kartenherausgeber zur Annahme der Kartenzahlung iRe Vertrags zugunsten der Karteninhaber verpflichtet hat.
Rn 6
Die Hingabe dieses anderen Leistungsgegenstands begründet keine Erfüllungswirkung; die Schuld bleibt zunächst bestehen. Der Gläubiger muss mit verkehrsüblicher Sorgfalt versuchen, aus dem hingegebenen Gegenstand Befriedigung zu erlangen. In dem Zeitpunkt und in dem Maße, in dem der Gläubiger Befriedigung aus dem erfüllungshalber hingegebenen Leistungsgegenstand erlangt, tritt dann allerdings Erfüllungswirkung ein (BGHZ 44, 178; 131, 66). Die Hingabe des erfüllungshalber begebenen Leistungsgegenstands begründet regelmäßig zunächst eine dilatorische Einrede gegen die Hauptforderung (BGHZ 116, 278; NJW-RR 01, 1430). Auch die Aufrechnung mit ihr wird dadurch ausgeschlossen (Hambg WM 78, 338). Das Leistungsverweigerungsrecht entfällt, wenn der Gläubiger das zur Erlangung der Befriedigung aus dem erhaltenen Gegenstand nach verkehrsüblicher Sorgfalt Erforderliche erfolglos unternommen hat (BGH WM 69, 371). Der Gläubiger kann dann wieder das eigentlich Geschuldete Zug um Zug gegen Rückgabe des erfüllungshalber begebenen Gegenstands verlangen (vgl BGH NJW 23, 1718 Rz 35). Das Fehlschlagen der Befriedigung aus dem erfüllungshalber begebenen Gegenstand begründet nicht ohne Weiteres den Verzug mit der Hauptforderung (BGHZ 96, 182). Allerdings kann die Auslegung auch ergeben, dass von vornherein keine Stundung gewollt ist, weil der Gläubiger keinen Anlass hat, auf die Rechte aus einem bereits vorliegenden oder drohenden Verzug zu verzichten. Dann ist mit der Hinnahme erfüllungshalber lediglich ein Ausschluss der Klagbarkeit oder Vollstreckbarkeit verbunden.
Rn 7
Erledigt sich der Anspruch, zu dessen Befriedigung eine Leistung erfüllungshalber hingegeben wurde, anderweitig, so ist es eine Frage der Vereinbarung, ob der Gegenstand ohne Weiteres an den Schuldner zurückfällt, ob es einer Rückübertragung bedarf, oder ob es einer anderen Form der Kompensation (etwa der Ausstellung eines Gutschriftbelegs bei Kreditkartenzahlung) bedarf. Handelt es sich um einen übertragenen Leistungsgegenstand, so wird man im Zweifel vom Erfordernis einer Rückübertragung ausgehen müssen (BGH-Report 01, 613 zur Rückabtretung bei erfüllungshalber abgetretener Forderung).
Rn 8
Wer die Kosten der Befriedigung aus dem erfüllungshalber hingegebenen Gegenstand zu tragen hat, richtet sich nach den Vereinbarungen, die erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Interessenlage auszulegen sind. Hierfür ist häufig ausschlaggebend, in wessen Interesse die Hingabe erfüllungshalber erfolgt (BGH NJW 65, 1853). Ist nichts anderes vereinbart, fallen die Kosten in der Regel dem Schuldner zur Last (BGHZ 92, 123).