Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 5
Von der Aufrechnung zu unterscheiden ist die sog Verrechnung. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht es den Parteien frei, über die im Gesetz vorgesehenen Fälle des Erlöschens eines Schuldverhältnisses hinaus weitere Tatbestände zu vereinbaren (›Erfüllungsersetzungsvertrag‹). Hierunter fällt auch eine Verrechnungsabrede, teilweise auch als Aufrechnungsvertrag bezeichnet. Die Verrechnung führt regelmäßig nur zum Erlöschen der Forderung. Dies lässt, wenn nicht weitere Vereinbarungen hinzutreten, die sonstigen Modalitäten der Erfüllung unberührt (Jena OLGR 01, 515). Welche Modalitäten für die Verrechnung gelten, hängt von den Abreden der Parteien ab. Regelmäßig ist im Falle einer vereinbarten Verrechnung gewollt, dass einander gegenüberstehende Forderungen zu dem von den Parteien vereinbarten Zeitpunkt erlöschen, ohne dass es hierfür einer weiteren Erklärung einer Seite bedarf (BGHZ 94, 132; NJW-RR 03, 1358). Sind künftige Forderungen betroffen, so ist die Erlöschenswirkung aufschiebend bedingt (Jena OLGR 01, 515). In Einzelfällen kann auch das Gesetz eine Verrechnung vorsehen, für die es nicht auf die §§ 387 ff ankommt (BAG EzTöD 700 TV ATZ Nr 21: § 41c I EStG)
Rn 6
Für die Verrechnung kommt es auf die Voraussetzungen der Aufrechnung nicht an. Das Einverständnis der Parteien schafft die rechtliche Grundlage für das Erlöschen der zu verrechnenden Forderungen, auch wenn die Voraussetzungen des § 387 nicht vorliegen. Denkbar ist auch der vertraglich vereinbarte Verzicht auf einzelne Aufrechnungsvoraussetzungen, namentlich auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit (BGH WM 77, 760). Entscheidend ist, dass an der Vereinbarung diejenigen Personen beteiligt sind, die über die zu tilgenden Forderungen verfügen können (BGHZ 94, 132). Allerdings hat die Rspr angenommen, dass Aufrechnungsverträge bei Nichtbestehen der Forderung einer Seite unwirksam sind (BGH NJW-RR 91, 744). Richtigerweise ist vom anfänglichen Fehlen einer objektiven Geschäftsgrundlage iSd § 313 II auszugehen.
Rn 7
Derartige Abreden kommen insb in Form der sog Konzernverrechnungsvereinbarungen vor. Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein konzernangehöriges Unternehmen zur Aufrechnung mit eigenen Forderungen auch gegen Forderungen des Vertragspartners anderer konzernangehöriger Unternehmen berechtigt sein soll, wie auch für den umgekehrten Fall, dass ein Konzernunternehmen befugt ist, eigene Verbindlichkeiten durch Verrechnung mit Forderungen anderer konzernangehöriger Unternehmen gegen denselben Vertragspartner zu tilgen (BGHZ 81, 15, 17; 94, 132; WM 66, 651, 652; NJW-RR 03, 1358). Insolvenzrechtliche Aufrechnungsschranken sind entspr heranzuziehen (BGHZ 81, 15).