Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 10
Die Aufrechnung setzt eine sog Aufrechnungslage voraus, zu der die Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung stehenden Forderung, ihre Gleichartigkeit, die Vollwirksamkeit der Aufrechnungsforderung sowie die Erfüllbarkeit der Gegenforderung zählen. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (BAG NJW 68, 813 [BAG 15.11.1967 - 4 AZR 99/67]).
I. Gegenseitigkeit.
1. Allgemeines.
Rn 11
Gegenseitigkeit setzt voraus, dass sich eine Hauptforderung des Gläubigers gegen den Schuldner richtet und mit einer eigenen Forderung desselben Schuldners gegen denselben Gläubiger aufgerechnet wird. Ausnahmsweise wird das Gegenseitigkeitserfordernis gesetzlich überbrückt, etwa in § 566d, in § 35 VVG (Köln VersR 97, 1265), nach zT vertretener Auffassung auch in § 45 VVG (Lorenz VersR 97, 1266). Mit der Abtretung verliert der Zedent zwar seine Gläubigerstellung. Die Aufrechnung mit einer gegen den Zedenten bestehenden Forderung ist aber ggü dem Zessionar unter den Voraussetzungen des § 406 weiterhin zulässig. Über § 406 hinaus kann eine Berufung auf den formalen Verlust der Gläubigerstellung treuwidrig sein, wenn die Abtretung iRe Treuhandverhältnisses oder als Inkassovollzession erfolgt (BGH NJW 58, 18 [BGH 22.10.1957 - VIII ZR 67/56]). Generell gilt: der Schuldner darf mit seiner Forderung, die er gegen den Treugeber hat, ggü der des Treuhänders aufrechnen, wenn dessen Stellung im Treuhandverhältnis unselbstständig ist und die Berufung auf die formelle Rechtslage Treu und Glauben widerspricht (BGH NJW 89, 2386, 2387 [BGH 27.02.1989 - II ZR 182/88]). Die Gegenseitigkeit muss gegeben sein; eine lediglich mögliche Gegenseitigkeit genügt nicht. Deshalb ist Gegenseitigkeit zu verneinen, wenn die Hauptforderung nach Wahl des Gläubigers gegenüber diesem oder einem Dritten zu erfüllen ist und er das Wahlrecht (§ 263 I) noch nicht ausgeübt hat (iErg BGHZ 223, 139, Rz 49: keine Gleichartigkeit).
2. Aufrechnungsforderung des Schuldners.
Rn 12
Es muss sich um eine eigene Forderung des Schuldners handeln. § 267 ist nicht anwendbar, wie aus der Formulierung ›leisten‹ und einem Umkehrschluss aus § 268 II folgt. Ein Aufrechnungsrecht des ablösungsberechtigten Dritten ist in §§ 268 II, 1142 II, 1150, 1249 vorgesehen. Umgekehrt kann der Schuldner nicht mit der Forderung eines Dritten aufrechnen, auch wenn dieser eingewilligt hat (BGH NJW-RR 88, 1146, 1150 [BGH 17.05.1988 - IX ZR 5/87]). Der Nebenintervenient kann nicht mit einer Forderung der Hauptpartei aufrechnen (BGH WM 66, 277), ein Gesamtschuldner nicht mit der Forderung eines anderen Gesamtschuldners (§ 422 II). Der Bürge kann zwar ebenfalls nicht mit einer Forderung des Schuldners aufrechnen, aber nach § 770 II die Einrede der Aufrechenbarkeit erheben und seine eigene Verpflichtung als Bürge durch Aufrechnung tilgen (BGH NJW 57, 986 [BGH 11.04.1957 - VII ZR 212/56]; RGZ 53, 403, 404 f; 120, 146f). Anders liegt es bei einem Pfandgläubiger an einer Forderung, dem ein Einziehungsrecht zusteht (RGZ 58, 105, 109; offenlassend aber RGZ 97, 36, 39). An der Inhaberschaft fehlt es, wenn die Forderung dem Schuldner nur in gesamthänderischer Verbundenheit mit anderen zusteht. Der Miterbe kann daher mit einer in den Nachlass fallenden Forderung nicht gegen einen gegen ihn persönlich bestehenden Anspruch aufrechnen (BGH NJW-RR 05, 375 [BGH 06.10.2004 - XII ZR 323/01]; in Betracht kommt ein Zurückbehaltungsrecht, BGH NJW 63, 244 [BGH 24.10.1962 - V ZR 1/61]). Ebenso liegt es im Falle der Mitgläubigerschaft, wenn die Leistung nach § 432 nur an alle Mitgläubiger gemeinsam erbracht werden kann (BGH NJW 92, 435). Gegenseitigkeit ist dagegen zu bejahen, wenn eine Personenmehrheit zugleich Schuldner der Hauptforderung und Gläubiger der Aufrechnungsforderung ist. Die Aufrechnung mit zum Gesamtgut nach § 1416 zählenden Forderungen gegen Gesamtgutsverbindlichkeiten (§ 1437) ist möglich (BGHZ 58, 32). Der Nachlassschuldner kann daher aufrechnen, wenn ihm eine Forderung gegen den Erblasser zustand oder er einen Anspruch gegen alle Erben hat (Steiner ZEV 16, 24). Mit der Abtretung verliert der Zedent die Forderung, auch bei der Sicherungsabtretung. Allerdings kann dem Zedenten ein Zurückbehaltungsrecht zustehen, sofern er zur Geltendmachung der Forderung (Leistung an den Zessionar) ermächtigt ist (BGH NJW 00, 278 [BGH 01.10.1999 - V ZR 162/98]).
3. Hauptforderung des Gläubigers.
Rn 13
Auch auf Gläubigerseite müssen die Aktiv- und Passivberechtigten identisch sein. Dafür reicht es aus, wenn sich die Forderung des Schuldners gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern richtet (BGH NJW-RR 88, 1104), selbst wenn ein anderer bereits Klage erhoben hat (BGH NJW 79, 2038). Gegen eine Forderung mehrerer Mitgläubiger kann der Schuldner nicht mit einer Forderung gegen einen von ihnen aufrechnen (BGH NJW 69, 839; NJW 08, 1807; anders liegt es bei Gesamtgläubigerschaft: BGHZ 223, 139 Rz 49), mit Forderungen ggü einem Verwalter nicht mit solchen ggü den Wohnungseigentümern (BayObLG MDR 80, 57). Ebenso wenig kann der Verwalter gegen Forderungen eines einzelnen Eigentümers mit Forderungen gegen die partiell rechtsfähige Wohnungseigen...