Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 21
Ein vertraglicher Aufrechnungsausschluss kann sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut als Barzahlungsklausel oder dem stillschweigend Vereinbarten ergeben, zB durch Klauseln ›Kasse gegen Dokumente‹, ›Kasse gegen Verladedokumente‹, ›Kasse gegen Faktura‹, ›Netto Kasse gegen Rechnung und Verladepapiere‹, ›cash against documents‹, ›cash on delivery‹ oder das Dokumentenakkreditiv (BGHZ 14, 61; 23, 131; 60, 262; NJW 76, 852; NJW 79, 1046; NJW 85, 550). Auch sonst kann in einer Abrede über eine bestimmte Art und Weise der Leistung ein Aufrechnungsausschluss liegen, etwa wenn eine Sachleistung gegen Scheckübergabe vereinbart wird (Celle OLGR 94, 218 [OLG Düsseldorf 11.02.1994 - 13 U 129/93]) oder die Fälligkeit einer Vergütung zu Sicherungszwecken hinausgeschoben ist (BGH NJW 17, 3437 [BGH 14.09.2017 - VII ZR 3/17]: keine ›vertragsübergreifende‹ Aufrechnung gegen den Restwerklohnanspruch). Formularmäßige Aufrechnungsbeschränkungen auf Fälle einer rechtskräftig festgestellten oder unbestrittenen Aufrechnungsforderung hat die Rspr iRd § 309 Nr 3, § 307 I innerhalb wie außerhalb des Unternehmensverkehrs (§ 310 I) im Allgemeinen für wirksam gehalten (BGHZ 91, 375; 103, 185; NJW-RR 87, 883; NJW-RR 93, 519; NJW-RR 99, 1335). Der Aufrechnungsausschluss für bestrittene oder nicht rechtskräftig festgestellte Ansprüche greift mangels Bestreitens nicht, wenn das Bestehen der Gegenforderung bereits bewiesen ist (BGH WM 77, 311) oder wenn der Aufrechnungsgegner nur eine bereits früher zur Gegenaufrechnung gestellte Forderung geltend macht, deren Bestehen aber nicht einmal schlüssig behauptet (BGH NJW 85, 1556 [BGH 26.11.1984 - VIII ZR 217/83]). Den Rechtsfolgen nach untersagt das vertragliche Aufrechnungsverbot nicht nur die Berufung auf die Aufrechnung, sondern begründet ihre Unwirksamkeit mit ›dinglicher‹ Wirkung (BGH NJW 84, 357 [BGH 12.10.1983 - VIII ZR 19/82]). Der Aufrechnungsausschluss schließt auch ein Zurückbehaltungsrecht aus, wenn dessen Ausübung denselben Effekt wie eine Aufrechnung hätte (BGH WM 67, 988).
Rn 22
Die Berufung auf ein vertragliches Aufrechnungsverbot kann ihrerseits treuwidrig sein. Das ist etwa zu bejahen, wenn Haupt- und Gegenforderung in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, weil sie rechtlich und tatsächlich von denselben Voraussetzungen und Einwendungen abhängen (BGH WM 78, 620). Führt das Aufrechnungsverbot dazu, dass der Schuldner seine Gegenforderungen wegen eines nachträglichen Vermögensverfalls (auch bereits vor einer Insolvenz) des Gläubigers später nicht mehr durchsetzen kann, wird jener regelmäßig ungeachtet des Verbots aufrechnen können (BGH NJW 75, 442 [BGH 02.12.1974 - II ZR 132/73]; NJW-RR 87, 883). Hierzu kann ggf die Wiederholung einer bereits abgegebenen unwirksamen Aufrechnungserklärung erforderlich sein (BGH NJW 84, 357 [BGH 12.10.1983 - VIII ZR 19/82]). Auch eine Abtretung lässt die Barzahlungsabrede nicht wieder Wirkung entfalten (BGH WM 66, 218). Anders liegt es, wenn das Verbot gerade auch für den Fall der Insolvenz gelten sollte, die Vertragspartner also in Kauf nahmen, dass der Schuldner mit seinen Gegenforderungen ausfällt. Hingegen bleibt ein Aufrechnungsverbot regelmäßig wirksam, wenn es als Mittel der Kreditsicherung dienen sollte (BGH NJW-RR 89, 124). Auch bei gesetzlichen Aufrechnungsverboten kann deren Zweck der Annahme einer Treuwidrigkeit entgegenstehen (BGH WM 11, 1870). Treuwidrig kann die Berufung auf einen Aufrechnungsausschluss auch sein, wenn er gegen die Aufrechnung aufgrund einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung geltend gemacht wird (BGH WM 61, 1357; WM 76, 1332). Auch bei einem vorsätzlichen Vertragsbruch ist das möglich, aber nicht ohne Weiteres zu bejahen (BGH NJW 66, 1452).
Rn 23
Im Anwendungsbereich der ZPO hat der BGH die Auffassung vertreten, die Vereinbarung der ausschl Zuständigkeit eines anderen Gerichts schließe die Aufrechnung aus (vgl BGH NJW 93, 2753 [BGH 12.05.1993 - VIII ZR 110/92]). Demgegenüber stellt der EuGH im Anwendungsbereich des Art 25 EuGVVO auf die Auslegung der Gerichtsstandsabrede ab und nimmt kein grds Aufrechnungsverbot an, wenn die Geltendmachung der Aufrechnung nach dem maßgebenden Prozessrecht ein Verteidigungsmittel darstellt (EuGH Slg 95, I-2053; die Bedeutung dieser Entscheidung im Rahmen deutscher Zivilprozesse offenlassend BGH NJW 14, 3156 [BGH 14.05.2014 - VIII ZR 266/13] Rz 16). Diese Lösung verdient generell den Vorrang (Pfeiffer Handbuch der Handelsgeschäfte § 22 Rz 158). Im Falle einer Schiedsabrede kann mit der in die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts fallenden Forderung nicht vor staatlichen Gerichten aufgerechnet werden, wenn diese streitig (BGHZ 38, 254; Zweibr MDR 13, 1368) und ihr Bestehen nicht schiedsgerichtlich festgestellt ist (BGH NJW-RR 08, 556). Anderes muss bei Aufhebung des Schiedsspruchs gelten (offen BGH NJW-RR 08, 556 [BGH 17.01.2008 - III ZR 320/06]). Ob im Schiedsverfahren mit einer schiedsverfahrensfremden Forderung aufgerechnet werden kann, bestimmt sich prim...