Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
I. Bedeutung.
Rn 1
Nach § 388 wird die Aufrechnung durch die Aufrechnungserklärung bewirkt, nicht schon durch den Eintritt der Aufrechnungslage (BGHZ 155, 392). Die Aufrechnungserklärung ist deshalb immer dann erforderlich, wenn sich zwei selbstständige Forderungen gegenüberstehen, die keinen bloßen Rechnungsposten innerhalb eines einheitlichen Anspruchs bilden (Karlsr OLGR 04, 69).
II. Rechtsnatur.
Rn 2
Die Aufrechnungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die ggü dem Gläubiger abzugeben ist. Steht die Befugnis zur Verfügung über die Forderung einem Dritten zu, so wird man ihm gegenüber aufrechnen können (Stein ZEV 16, 24: Testamentsvollstrecker). Mit ihrer Rechtsnatur als Gestaltungserklärung ist ein Schwebezustand nicht vereinbar. Deshalb ist die Aufrechnungserklärung nach § 388 S 2 bedingungsfeindlich (Frankf NJW-RR 97, 526 [OLG Frankfurt am Main 29.02.1996 - 1 U 283/94]). Sie kann daher nicht im Vorhinein vorsorglich für den Fall der Entstehung der Hauptforderung erklärt werden (Hamm 15.12.09, 10 W 97/07). Eine ohne die erforderliche behördliche Genehmigung erklärte Aufrechnung ist dementspr ebenfalls unwirksam (BGH NJW 54, 266 [BGH 28.10.1953 - VI ZR 217/52]). Ist die Aufrechnung danach unwirksam, so muss sie bei späterem Vorliegen der Voraussetzungen wiederholt werden (BGH NJW 84, 357 [BGH 12.10.1983 - VIII ZR 19/82]). Die Erklärung unterliegt keinen bestimmten Formerfordernissen.
Rn 3
Zulässig ist allerdings die Hilfsaufrechnung, die für den Fall erklärt wird, dass die in erster Linie bestrittene Hauptforderung sich als bestehend erweisen sollte (RGZ 97, 269, 273). § 388 S 2 steht einer solchen Eventualaufrechnung nicht entgegen. Die Aufrechnungserklärung hängt hier nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis, also einer echten Bedingung, sondern von einer bloßen Rechtsbedingung ab. Von der unzulässigen bedingten Aufrechnung zu unterscheiden ist ferner die zulässige unbedingte Aufrechnung mit einer auflösend bedingten Forderung (BGH NJW 11, 143 [BGH 22.09.2010 - VIII ZR 285/09]).
III. Auslegung.
Rn 4
Die Aufrechnung kann auch stillschweigend erklärt werden (BGH NJW 84, 357), muss aber dem Erklärungsgehalt nach hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (BGHZ 26, 239; München NZG 05, 311). Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen sowie die Höhe der Aufrechnung müssen bestimmbar und die Aufrechnung als gewollt erkennbar sein (BAG NZA 20, 1571 [BAG 17.06.2020 - 10 AZR 322/18] Rz 52). Hierfür kann die (verfehlte) Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ausreichen, wenn die Verbindlichkeiten gleichartig und fällig sind (BGH NJW 74, 367 [BGH 13.12.1973 - VII ZR 40/72]), weil dann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts dieselben Rechtswirkungen wie die Aufrechnung herbeiführt (RGZ 85, 108, 110f). Eine ausdrückliche Angabe zur Höhe der Forderung ist dann entbehrlich, wenn diese aus den Umständen bestimmbar ist (vgl Frankf 7.1.10, 19 W 89/09). Ob eine Haupt- oder Hilfsaufrechnung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Trotz Bezeichnung als ›unbedingt‹ kann eine Hilfsaufrechnung gewollt sein, wenn der Erklärende vorrangig andere Einwendungen geltend macht (LG Ravensburg ECLI:DE:LGRAVEN:2022:0823.2O212.21.00).
Rn 5
Die Erklärung der Aufrechnung mit einer in Wahrheit nicht bestehenden Forderung gegen eine bestehende Forderung ist nicht ohne weiteres als die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis zu deuten. Maßgebend ist der sich in Würdigung der Gesamtumstände ergebende Erklärungsgehalt (BGHZ 58, 103; 107, 395).