Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 2
§ 393 gilt nur für die Aufrechnung, entbindet jedoch ggf nicht von der Notwendigkeit, einen Schaden durch Gegenüberstellung einzelner Schadensposten, namentlich bei einer gebotenen Vorteilsausgleichung, zu berechnen (BGH NJW 67, 2012 [BGH 20.06.1967 - VI ZR 201/65]; Köln 29.5.20 – 19 U 184/19). Die Vorschrift meint den Fall, dass die Hauptforderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Die Nutzung einer Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung als Aufrechnungsforderung ist nicht ausgeschlossen. Bei einer juristischen Person steht das Handeln ihrer Organe ihrem eigenen gleich, so dass § 393 gilt, wenn die juristische Person für das vorsätzliche Deliktsverhalten eines Organs haftet (BGH NJW 07, 2490 [BGH 03.05.2007 - IX ZR 218/05]). Die Vorschrift stellt allein auf den Entstehungsgrund der Forderung, nicht auf die Person des Schuldners ab. Sie gilt deshalb auch für Fälle der Rechtsnachfolge und Mithaftung (zu §§ 25, 27 HGB RGZ 154, 334, 339).
Rn 3
Unerlaubte Handlungen sind die Deliktstatbestände des BGB und die außerhalb desselben geregelten außervertraglichen Haftungsvorschriften (offenlassend BGH NJW 11, 2966 [BGH 21.07.2011 - IX ZR 151/10]), soweit sie rechtssystematisch eine deliktsrechtliche Funktion haben (verneinend zu § 717 II ZPO RGZ 76, 406, 408). Die Vorschrift gilt auch bei Staatshaftungsansprüchen (BGH § 393 BGB LM Nr 6; BFHE 83, 607 [BFH 26.10.1965 - VII 310/64 S]). Das Vorsatzerfordernis bezieht sich nicht auf den tatbestandlichen Haftungstatbestand, sondern auf das konkrete Verhalten des Schuldners. § 393 greift damit auch ohne Rücksicht darauf ein, ob es sich um eine Verschuldens- oder Gefährdungshaftung handelt. Zwischen unmittelbaren Schäden und Folgeschäden wird in § 393 nicht unterschieden, so dass auch letztere umfasst sind, soweit sie deliktisch zu ersetzen sind. Das schließt Kostenerstattungsansprüche aus einer wegen der unerlaubten Handlung erhobenen Unterlassungsklage ein (Köln NJW-RR 90, 929).
Rn 4
In erweiternder teleologischer Auslegung erfasst die Vorschrift auch Ansprüche aus anderen Anspruchsgrundlagen, soweit das anspruchsbegründende Verhalten des Schuldners zugleich die Voraussetzungen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erfüllt (BGH BB 54, 172; NJW 67, 2012 [BGH 20.06.1967 - VI ZR 201/65]; NJW 94, 252, 253 [BGH 12.10.1993 - XI ZR 155/92]; NJW 99, 714 [BGH 24.11.1998 - VI ZR 388/97]; verneinend zum Kostenerstattungsanspruch des Nebenklägers aus § 472 StPO: BGH NJW 11, 2966). Die Rspr hat sie auch auf andere Fälle schweren Verschuldens angewandt, wenn der Präventionszweck der Haftungsnorm dies gebietet (BGH VersR 09, 1664; Karlsr VersR 09, 360). Demgegenüber erstreckt sich § 393 nicht auf den Fall einer vorsätzlichen Vertragsverletzung, soweit nicht zugleich ein Delikt verwirklicht wird (BGH NJW 75, 1119, 1120 [BGH 19.03.1975 - VIII ZR 250/73]). Die Anwendbarkeit ist dem Rechtsgedanken nach ferner dann zu bejahen, wenn ein gesetzlicher Anspruch an die Stelle eines sonst zu bejahenden Anspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung getreten ist, so etwa beim Anspruch aus § 852 (BGH NJW 77, 529; ferner LM § 393 Nr 6: zum BEG).
Rn 5
Eine einschränkende Auslegung, wonach die Aufrechnung zulässig ist, wenn auch die Aufrechnungsforderung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, hat im Gesetz keine ausreichende Stütze (RGZ 123, 6, 7; Celle NJW 81, 766 [OLG Celle 09.06.1980 - 9 U 149/79]; aA Deutsch NJW 81, 735). Das gilt auch dann, wenn die wechselseitigen Ansprüche einem einheitlichen Lebensverhältnis entspringen, etwa bei einer Prügelei (BGH NJW 09, 3508 [BGH 15.09.2009 - VI ZA 13/09]).
Rn 6
Gegen strafrechtliche Geldstrafen ist eine Aufrechnung nicht zulässig; der Fiskus kann mit seinem Geldstrafeanspruch aufrechnen (Braunschw NJW 51, 247 [LG Kiel 03.08.1950 - 8 S 269/50]; AG Hannover NJW 75, 178 [AG Hannover 12.09.1974 - 89 II 5/74]).