Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 3
§ 396 regelt dem Wortlaut nach sowohl den Fall des Bestehens mehrerer Hauptforderungen wie den Fall mehrerer Aufrechnungsforderungen. Die Vorschrift erfasst aber auch den Fall, dass sich mehrere Hauptforderungen und mehrere Aufrechnungsforderungen gegenüberstehen (BGH NJW 04, 2230, 2232). Wie § 366 gilt § 396 auch dann, wenn mehrere Einzelforderungen auf demselben Schuldverhältnis iwS beruhen (BGH NJW 04, 2230, 2232 [BGH 24.03.2004 - VIII ZR 44/03]). Im Falle mehrerer möglicher Aufrechnungsforderungen hat zunächst der Schuldner ein Wahlrecht, welche er zur Aufrechnung nutzt. Eine vertragliche Beschränkung dieser Auswahlbefugnis des Schuldners ist möglich (hiervon ausgehend BGH NJW 84, 2455). Macht der Schuldner von seiner Auswahlbefugnis keinen Gebrauch oder widerspricht der Gläubiger unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern, § 121 I), so gilt sowohl im Verhältnis mehrerer Hauptforderungen untereinander als auch im Verhältnis mehrerer Aufrechnungsforderungen die gesetzliche Tilgungsreihenfolge nach der Kriterienleiter des § 366 II (Fälligkeit, geringere Sicherheit, Lästigkeit, Alter, verhältnismäßige Tilgung der verbleibenden Forderungen). So kommt bei mehreren Aufrechnungsforderungen die nach § 215 zulässige Aufrechnung mit einer verjährten Forderung vorrangig zum Zuge, weil sie die geringere Sicherheit bietet (BGH NJW 87, 181, 182 [BGH 02.10.1986 - III ZR 163/85]). Entspr gilt bei mehreren Hauptforderungen.
Rn 4
Für die Bestimmung durch den Schuldner gilt nach Rechtsnatur und Voraussetzungen das Gleiche wie für eine Tilgungsbestimmung nach § 366 I (§ 366 Rn 12 ff). Der Schuldner muss die Ausübung des Bestimmungsrechts aus § 396 I 1 beweisen (Brandbg ZInsO 09, 522).
Rn 5
Im Falle der Bestimmung durch den Schuldner steht dem Gläubiger ein Widerspruchsrecht zu. Der Widerspruch wird ausgeübt durch eine empfangsbedürftige Erklärung des Gläubigers. Der Rechtsnatur nach handelt es sich um eine Willenserklärung, namentlich eine Gestaltungserklärung, die unmittelbar auf die Rechtsfolge gerichtet ist, den Eintritt der Wirkung der Bestimmung durch den Schuldner zu verhindern. Der Widerspruch kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden. Es muss dem Schuldner ggü zum Ausdruck gebracht werden, dass der Gläubiger die durch den Schuldner erklärte Bestimmung nicht hinnimmt. Dies kann dadurch geschehen, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Forderungsaufstellung übersendet, aus der sich der Widerspruch des Schuldners ersehen lässt. Nicht ausreichend ist eine solche Aufstellung allerdings dann, wenn für den Schuldner nicht ersichtlich ist, ob der Gläubiger nur die Bestimmung nicht hinnehmen will oder ob er die Aufrechnung gar nicht zur Kenntnis genommen bzw berücksichtigt hat. Der Widerspruch muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen.