Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 1
§ 397 regelt zwei Tatbestände, nämlich den Erlassvertrag in I und das negative Schuldanerkenntnis in II. Entscheidend beim Erlass ist der Wille der Parteien, die betroffene Forderung zum Erlöschen zu bringen. Der Gläubiger muss verzichten wollen. Das ist nach allgemeinen Regeln (§§ 133, 157) zu ermitteln und kann sich daher auch aus dem Empfängerhorizont ergeben (München WM 94, 21 [OLG München 24.09.1992 - 19 U 6888/91]).
Rn 2
Der Erlassvertrag ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, mit dem die an einem Schuldverhältnis Beteiligten über dessen Inhalt verfügen. Der Erlassvertrag als Verfügungsgeschäft wird mithin typischerweise aufgrund eines anderen, für den Erlass kausalen Rechtsgeschäfts, abgeschlossen (BGH NJW 02, 429). Fehlt dieser Rechtsgrund, so kann der Erlass kondiziert und die Wiederbegründung des getilgten Schuldverhältnisses verlangt werden. Bei dem kausalen Grundgeschäft wird es sich häufig um einen Vergleich (§ 779) oder eine Schenkung (§ 516) handeln (BGH NJW-RR 98, 590). Beim schenkweise erfolgten Erlass liegt im Abschluss des Erlassvertrags der Vollzug der Schenkung iSd § 518 II (Stuttg NJW 87, 782 [OLG Stuttgart 21.03.1986 - 2 U 181/85]). Hierunter fällt auch der mit einer Versicherung geschlossene Abfindungsvergleich (BGH NJW 96, 3418 [BGH 24.09.1996 - VI ZR 315/95]). Auch auf eine zukünftige Verbindlichkeit kann durch Erlassvertrag verzichtet werden (BGH NJW-RR 93, 1111 [BGH 25.05.1993 - VI ZR 272/92]; aA RGZ 124, 325, 326; 148, 257, 262), wobei zT statt eines Erlasses eine Vereinbarung über die Nichtentstehung der Forderung angenommen wird (Grüneberg/Grüneberg Rz 3). Der Erlass einer bereits erloschenen Forderung geht ins Leere und kann ggf in ein konstitutiv-kausales negatives Schuldanerkenntnis umgedeutet werden. Der Verzicht kann aufschiebend oder im Falle einer Besserungsvereinbarung auch auflösend bedingt sein; die Forderung entsteht ggf neu (BGH NJW 16, 2115 [BGH 28.01.2016 - IX ZR 185/13]).
Rn 3
Gegenstand eines Verzichts nach § 397 I ist eine Forderung, also ein auf eine Leistung gerichteter Anspruch. Ein vorweggenommener Erlass künftiger Ansprüche ist möglich, soweit dieser hinreichend bestimmbar ist und die Berechtigung des Erklärenden gesichert ist (BGH NJW 07, 2556, 2557 [BGH 24.05.2007 - IX ZR 8/06]). Der Verzichtswille bedarf aber besonderer Prüfung (BGH BB 16, 2959 [BGH 15.07.2016 - V ZR 168/15]). Zudem muss durch Auslegung ermittelt werden, ob anstelle eines verfügenden Erlasses eine Abbedingung des fraglichen Anspruchs gewollt ist (BGH NJW 14, 924, 926 [BGH 14.01.2014 - XI ZR 355/12]), wobei auch ein Vorauserlass die Anspruchsentstehung hindert (BGH NJW-RR 21, 173 [BGH 17.12.2020 - IX ZR 205/19] Rz 32). Auch auf andere schuldrechtliche Rechte kann verzichtet werden, etwa auf Gestaltungsrechte oder das Vorkaufsrecht (BGH BB 63, 453; BB 66, 636).
Rn 4
Die Beweislast für den Erlass trägt der Schuldner (BGH NJW-RR 92, 1388 [BGH 15.06.1992 - II ZR 173/91]). Nichts anderes gilt für das negative Schuldanerkenntnis.