Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
I. Bestehen der Forderung/Verfügungsbefugnis des Zedenten.
Rn 10
Eine wirksame Abtretung setzt das Bestehen der Forderung (zur Vorausabtretung s.u. Rn 13 f) u die Verfügungsbefugnis des Zedenten voraus. Diese muss grds noch in dem Augenblick vorhanden sein, in dem die Verfügung wirksam werden soll. Soll die Abtretung erst mit der schriftlichen Anzeige beim Versicherer wirksam werden, muss die Verfügungsbefugnis noch im Zeitpunkt der Anzeige gegeben sein (BGH NJW-RR 10, 904, 906 [BGH 10.03.2010 - IV ZR 207/08]). Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung gilt das Prioritätsprinzip. Wirksamkeit entfaltet allein die erste Abtretung, da der Zedent bei Vornahme der späteren Verfügungen nicht mehr Inhaber der Forderung ist (BGHZ 32, 361, 363; NJW 68, 1516, 1517). Der Schuldner wird nach § 408 geschützt. Der Erstzessionar kann die Abtretung an den Zweitzessionar gem § 185 genehmigen u ihr dadurch zur Wirksamkeit verhelfen (BGH NJW 90, 2678, 2680 [BGH 15.01.1990 - II ZR 311/88]). Das Prioritätsprinzip wird durch § 392 II HGB durchbrochen. Tritt der Kommissionär Forderungen aus dem Kommissionsgeschäft an seinen Gläubiger ab, so ist dies im Verhältnis zum Kommittenten relativ unwirksam, so dass eine spätere Abtretung an ihn wirksam wird (BGHZ 104, 123, 126). Ein gutgläubiger Erwerb der Forderung ist mangels einer Rechtsscheinbasis grds ausgeschlossen. Eine begrenzte Ausn enthält § 405, ferner wird bei in Wertpapieren verbrieften Forderungen Gutglaubensschutz gewährt (Art 16 WG, Art 19 iVm Art 21 ScheckG).
II. Abtretbarkeit.
Rn 11
Forderungen sind grds übertragbar. Ausnahmen können sich aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses oder einem vertraglichen Abtretungsausschluss (§ 399) oder kraft Gesetzes ergeben (§§ 400, 473, 717). Forderungen sind auch übertragbar, wenn sie auf sog unvollkommenen Schuldverhältnissen beruhen oder bereits verjährt sind (MüKo/Kieninger § 398 Rz 62). Die Rechtshängigkeit einer Forderung hindert deren Abtretbarkeit nicht (§ 265 I ZPO), umgekehrt hat die Abtretung keine Auswirkung auf den Prozess (§ 265 II 1 ZPO).
III. Teilabtretung.
Rn 12
Die Abtretung einer Teilforderung ist zulässig, sofern die Forderung teilbar ist u die Parteien keinen Abtretungsausschluss vereinbart haben (BGHZ 23, 53 ff; Valdini ZGS 10, 442 ff). Sie führt zum Entstehen von zwei selbstständigen Forderungen, die – wenn nicht etwas anderes vereinbart wird – gleichen Rang haben (BGHZ 46, 242, 243 f; NJW 91, 2629). Die Tilgungsbestimmung bei Teilzahlungen trifft der Schuldner, Minderung kann er nur anteilig geltend machen (BGHZ 46, 242, 244; NJW 83, 1902, 1903). Die Verjährung der Teilforderungen läuft getrennt (BGHZ 44, 382, 388). Die Teilabtretung ist nach § 242 ausgeschlossen, wenn der Schuldner durch sie unzumutbar beschwert würde. Dabei muss es sich jedoch um schwerwiegende Ausnahmefälle handeln. Allein der Mehraufwand, der einem Arbeitgeber durch die Teilzession von Lohnforderungen entsteht, genügt nicht (BGHZ 23, 53, 56). Unzumutbar ist die Teilabtretung während eines anhängigen Rechtsstreits über die Forderung (Ddorf MDR 81, 669; zweifelhaft wg §§ 265, 325 ZPO). Unselbstständige Aktivposten einer saldierten Abrechnung können nicht abgetreten werden (BGH NJW 99, 417 [BGH 22.10.1998 - VII ZR 167/97]). Bei Anspruchskonkurrenz ist die auf einen Anspruch beschränkte Abtretung allenfalls mit Zustimmung des Schuldners zulässig, da sie zur Bildung einer Gesamtgläubigerschaft (§ 428) führen würde u der Schuldner Gefahr liefe, wg desselben Sachverhalts von verschiedenen Gläubigern in Anspruch genommen zu werden (BGH NJW 99, 715, 716 [BGH 09.12.1998 - XII ZR 170/96]; gänzlich abl MüKo/Kieninger § 398 Rz 88). Auch Gesamtgläubigerschaft an derselben Forderung kann ohne das Einverständnis des Schuldners vertraglich nicht begründet werden (BGHZ 64, 67, 69 ff; NJW 05, 2779, 2781).
IV. Künftige Forderungen.
Rn 13
Auch die Abtretung künftiger Forderungen ist zulässig. Die Rechtsgrundlage für den Anspruch braucht noch nicht zu bestehen (BGH NJW 65, 2197 [BGH 22.09.1965 - VIII ZR 265/63]), der Schuldner muss ebenfalls noch nicht feststehen (BAG NJW 67, 751 [BAG 14.12.1966 - 5 AZR 168/66]). Es genügt vielmehr, dass das Entstehen der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung möglich erscheint u sie hinreichend bestimmt oder bestimmbar bezeichnet wird (s Rn 15 f). Entsteht die Forderung nicht, so geht die Abtretung ins Leere (BGH WM 73, 489). Gleiches gilt, wenn die Forderung wider Erwarten nicht dem Zedenten zufällt. Tritt ein Gesellschafter seinen Auseinandersetzungsanspruch im Voraus ab u überträgt er dann vor Entstehung des Anspruchs seine Gesellschafterstellung auf einen Dritten, so wird die Abtretung gegenstandslos (BGHZ 88, 205, 207 ff; 104, 351, 353). Dagegen lässt die Erbfolge in die Gesellschafterstellung die Vorausabtretung des Erblassers unberührt (BGH NJW 97, 3370, 3371). Die Zession einer künftigen Forderung kann erst mit deren Entstehung Wirksamkeit entfalten (BGHZ 30, 238, 240 f; 88, 205, 206; 167, 363, 365). Die Willensübereinstimmung der Parteien u die Verfügungsbefugnis des Zedenten müssen zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr fortbestehen (BGH NJW...