Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
Gesetzestext
Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift normiert neben § 399 ein weiteres Abtretungsverbot. Es beruht auf denselben sozialpolitischen Erwägungen wie § 394. Die als unpfändbar deklarierten Forderungen sollen dem Gläubiger unter allen Umständen erhalten bleiben, um zu verhindern, dass er u seine Familie der öffentlichen Fürsorge anheimfallen (BGHZ 125, 116, 122).
Rn 2
§ 400 enthält zwingendes Recht. Abtretungen u Verpfändungen unpfändbarer Forderungen sind gem § 134 nichtig (BGHZ 4, 153, 155; NJW 88, 819; NJW-RR 18, 625, 626; BAG NJW 01, 1443). Die Vorschrift erfasst grds auch Einzugsermächtigung, Inkassozession (BGHZ 4, 153, 165 ff) oder Vereinbarungen über die Verwaltung des Einkommens (Celle OLGZ 71, 344, 345) sowie über § 1274 II auch Verpfändungen.
B. Unpfändbarkeit.
Rn 3
Das Verbot bezieht sich auf die einzelgesetzlich normierten Pfändungsverbote, s dazu § 394 Rn 1, 6 u Walker FS Musielak [04], 654 ff. Besondere Bedeutung haben die §§ 850 ff ZPO. Das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO begründet kein Abtretungshindernis iSd § 400 (BGHZ 125, 116, 123 f zu § 14 I KO; aA LAG Tübingen NJW 70, 349; zu § 2 IV GesO auch BGH ZIP 96, 2080). Steuererstattungsansprüche sind gem § 46 AO abtretbar u pfändbar.
Rn 4
Ist eine Forderung nur in bestimmter Höhe unpfändbar (§ 850c ZPO), so ist der darüber hinausgehende Teil auch abtretbar. Wird zusammen mit einer Kapitallebensversicherung eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen, so ist trotz der Unpfändbarkeit der Ansprüche aus der Zusatzversicherung gem § 850b I Nr 1 ZPO die isolierte Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung wirksam (BGH NJW 10, 374, 375 [BGH 18.11.2009 - IV ZR 39/08]; Gutzeit NJW 10, 1644 ff). Soweit eine Forderung wg bestimmter Ansprüche, zB gesetzlicher Unterhaltsansprüche (§ 850d ZPO), für pfändbar erklärt wird, so ist iRd Zweckbindung auch eine Abtretung an den privilegierten Personenkreis zulässig. Verändern sich die für die Pfändbarkeit maßgeblichen Tatsachen, so ist auf die Umstände zum Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen.
Rn 5
Über eine Änderung des pfändungsfreien Betrags (§ 850f ZPO) entscheidet das Prozessgericht, nicht das Vollstreckungsgericht (BGH NJW-RR 03, 1367 [BGH 28.05.2003 - IXa ZB 51/03]; Köln NJW-RR 98, 1689 [OLG Köln 18.02.1998 - 12 W 4/98]); u zwar im Verfahren zwischen Zedent u Zessionar, nicht aber im Rechtsstreit zwischen Zedent u Schuldner (BAG NJW 91, 2038, 2039).
C. Einschränkungen.
Rn 6
§ 400 ist nach Sinn u Zweck unanwendbar, wenn der Zedent vom Zessionar eine seiner Forderung wirtschaftlich gleichwertige Leistung erhält (so auch § 53 II SGB I), sei es freiwillig (BGHZ 4, 153, 156f) oder aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung (BGHZ 13, 360, 367 ff; 59, 109, 115; NJW-RR 10, 1235, 1236), sofern hierdurch diejenigen Bedürfnisse befriedigt werden, deren Sicherung die Unpfändbarkeitsregel dient.
Rn 7
Abgetreten werden können daher Rentenansprüche an den Arbeitgeber, sofern der Berechtigte vor der Zession den vollen Gegenwert erhalten hat oder die Abtretung durch die jeweils termingemäß zu leistenden Zahlungen bedingt ist (BGHZ 13, 360, 367 ff; 21, 112, 120), Lohnforderungen an die Gewerkschaft, die Streikunterstützung zahlt (BAG NJW 80, 1642, 1652; LAG Mecklenburg-Vorpommern NZA-RR 97, 163), der Rückgewähranspruch nach § 528 I an den Sozialhilfeträger (BGHZ 127, 354 ff), der Anspruch auf ausstehende Unterhaltsleistungen an ein Elternteil, wenn dieses das Kind betreut u versorgt hat (Bremen NJW-RR 02, 361; Köln FamRZ 21, 1530) sowie Insolvenzgeld an die vorfinanzierende Bank (BSG ZIP 95, 935, 936; 10, 2215).
Rn 8
Ausgeschlossen ist hingegen die Abtretung des unpfändbaren Gehaltsanteils an den Vermieter (BAG NJW 01, 1443 [BAG 21.11.2000 - 9 AZR 692/99]), von Unterhaltsansprüchen an den behandelnden Arzt (LG München II NJW 76, 1796; aA für den Fall einmaligen Unterhaltssonderbedarfs LG Frankenthal NJW-RR 89, 1352 [LG Frankenthal 29.08.1989 - 1 T 333/89]) u des Anspruchs auf Blindengeld zum Zwecke einer unzulässigen Anrechnung (BGH NJW 88, 819 [BGH 24.09.1987 - III ZR 49/86]).
D. Gesetzlicher Forderungsübergang.
Rn 9
Grds führt § 400 gem § 412 zur Unmöglichkeit eines Forderungsübergangs kraft Gesetzes. Dieser Grundsatz ist jedoch teleologisch auf die Fälle zu begrenzen, in denen es im Interesse des Gläubigerschutzes erforderlich ist. Dies ist nicht gegeben bei der cessio legis nach § 116 SGB X, §§ 93, 94 SGB XII, § 6 EFZG. Ist eine unpfändbare Forderung auf einen Dritten übergegangen, so ist ihre Verkehrsfähigkeit nicht mehr durch § 400 beschränkt (BGHZ 35, 317, 327; NJW 96, 3273, 3274; 13, 2592, 2594).