Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
I. Aufrechnungsbefugnis.
Rn 3
§ 406 erhält dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit, sofern die Aufrechnungslage schon bei der Abtretung bestand. Er kann sich darüber hinaus auch auf solche Umstände berufen, die später eingetreten sind u die ihm ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung ggü dem früheren Gläubiger gegeben hätten (BGHZ 19, 153, 156 f; 58, 327, 329; NJW 03, 1182, 1183). § 406 Hs 2 schließt die Aufrechnung allerdings mit solchen Forderungen aus, die erst in Kenntnis des Schuldners von der Abtretung erworben worden sind (Alt 1) oder die nach Kenntnis u später als die abgetretene Forderung fällig geworden sind (Alt 2). Die entscheidende Zäsur für die Aufrechnung ist die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung u nicht die Abtretung selbst.
II. Aufrechnungsausschluss wegen Kenntnis der Abtretung.
Rn 4
Der Kenntnis der Abtretung (§ 407 Rn 5 ff) steht die Kenntnis der Vorausabtretung gleich (BGHZ 66, 384, 386 f; NJW 02, 2865; aA Köln NJW-RR 01, 539). Der Erwerb der Gegenforderung ist bereits dann erfolgt, wenn der Rechtsgrund für sie gelegt ist, so dass etwa für Forderungen aus Vertrag auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzuheben ist (BGHZ 58, 327, 330; NJW 90, 2544). Mit einer Gegenforderung aus dem Vertragsverhältnis, auf welchem die abgetretene Hauptforderung beruht, kann der Schuldner ggü dem Zessionar aufrechnen, auch wenn er die Abtretung der Forderung aus dem Vertrag bei dessen Abschluss kannte (BGH NJW 96, 1056 [BGH 22.12.1995 - V ZR 52/95]). Bei Gegenforderungen aus abgeleitetem Recht kommt es auf den Zeitpunkt des Forderungserwerbs seitens des Schuldners an (Hamm NJW-RR 89, 51 [OLG Hamm 20.05.1988 - 26 U 129/87]). Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Fälligkeit, Unbedingtheit u Gleichartigkeit der Forderung nicht schon bei Abtretung vorliegen (BGHZ 12, 136, 144 f; 19, 153, 158 f; 35, 317, 326).
III. Aufrechnungsausschluss wegen nachfolgender Fälligkeit der Gegenforderung.
Rn 5
§ 406 Hs 2 Alt 2 regelt den Fall, dass der Schuldner Kenntnis zwar erst nach Erwerb der Gegenforderung (sonst greift schon § 406 Hs 2 Alt 1), aber noch vor ihrer Fälligkeit erlangt. Die Aufrechnung ist dann nur möglich, wenn die Gegenforderung spätestens gleichzeitig mit der abgetretenen Hauptforderung fällig wird (BGHZ 19, 153, 160; BAG 67, 751, 752). Eine spätere Stundung der Forderung ist unerheblich (BFH BStBl II 05, 7 ff). Fälligkeit iSd § 406 ist zu verneinen, wenn der Forderung ein Zurückbehaltungsrecht entgegensteht (BGHZ 58, 327, 330 ff; NJW-RR 94, 880). Daher kann mit einer zur Zurückbehaltung berechtigenden Gegenforderung aufgerechnet werden, auch wenn diese erst später als die Hauptforderung fällig geworden ist (BGH NJW 96, 1056 [BGH 22.12.1995 - V ZR 52/95]). Der Kommanditist kann gg die abgetretene Einlageforderung mit seinem erst später fällig werdenden Erstattungsanspruch gem §§ 105 III, 161 II HGB iVm § 716 I gg die KG aufrechnen (BGHZ 63, 338, 342f). Gleichartigkeit der Forderungen muss spätestens in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Hauptforderung fällig wird (BGHZ 19, 153, 159).
IV. Berufung auf Gegenrechte des Zedenten.
Rn 6
Der Zessionar kann hinsichtlich des Gegenanspruchs alle Verteidigungsmöglichkeiten des Zedenten zur Geltung bringen, so zB die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 (BGHZ 35, 317, 327f), den Verlust des Einziehungsrechts nach § 171 II HGB (BFH BStBl II 84, 795) sowie ein vertragliches (BGH WM 75, 852) oder gesetzliches Aufrechnungsverbot (BGHZ 95, 109, 117).
V. Besonderheiten bei Teil- und Mehrfachabtretungen.
Rn 7
Bei Teilabtretungen kann der Schuldner wählen, gg welche Teilforderung er aufrechnet. Im Falle der Mehrfachabtretung kann er auch mit einem Anspruch gg den Zwischengläubiger aufrechnen (MüKo/Kieninger § 406 Rz 16). Der Ausschlusstatbestand des § 406 Hs 2 greift nicht beim Rückerwerb einer Forderung nach einer Sicherungsabtretung. Dies gilt auch dann, wenn der Sicherungsfall eingetreten u die Abtretung offen gelegt worden war (BGH NJW 03, 1182 [BGH 13.02.2003 - VII ZR 267/01]).