Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
I. Allgemeines.
Rn 5
Dem Schuldner schadet nur positive Kenntnis; Kennenmüssen genügt nicht (RGZ 135, 247, 251; BGHZ 135, 39, 42; NJW-RR 20, 370, 371). Ausreichend ist allerdings insoweit das Wissen um die tatsächlichen Umstände, die den Forderungsübergang begründen, es muss die Person des Zessionars nicht umfassen (MüKo/Kieninger § 407 Rz 14). Auf eine unzutreffende rechtliche Würdigung kann sich der Schuldner nicht berufen, Ausnahmen sind bei unübersichtlicher Rechtslage zuzulassen (BGH NJW 07, 3352, 3354). Die bekannten Tatsachen müssen einen hinreichend sicheren Schluss auf die Abtretung zulassen. Eine Pflicht des Schuldners, Verdachtsmomenten nachzugehen, besteht nicht (Oldbg VersR 75, 415). Streiten sich Zedent u Zessionar über die Wirksamkeit der Abtretung u ist für den Schuldner nicht offensichtlich, dass die von dem Zedenten erhobenen Einwendungen abwegig oder schlechterdings unvernünftig sind, hat er keine Kenntnis von der Abtretung (BGH NJW-RR 04, 1145 [BGH 18.03.2004 - IX ZR 177/03]). Kenntnis der Vorausabtretung steht auch iRd § 407 der Kenntnis der Abtretung gleich (BGH NJW 82, 2371 [BGH 22.03.1982 - VIII ZR 92/81]; Dresd WM 99, 2108 [OLG Dresden 31.03.1999 - 8 U 77/99]). Nimmt der Schuldner aus gutem Grund an, eine ihm bekannte Abtretung sei rückgängig gemacht worden, so gilt § 407 ebenfalls (Frankf NJW-RR 88, 1270 [OLG Frankfurt am Main 09.04.1987 - 1 U 28/86]).
II. Benachrichtigung des Schuldners.
Rn 6
Eine Abtretungsanzeige gem § 409 macht den Schuldner idR bösgläubig. Die Mitteilung ›Wir nehmen am Factoring teil.‹ genügt wohl nicht (Bremen NJW 87, 912). Hat der Leasinggeber den Leasingnehmer bei Vertragsabschluss darauf hingewiesen, dass er ›seine Forderungen ihm ggü‹ an eine Bank abgetreten hat, so erfasst dies die monatlich fällig werdenden Leasingraten u einen später mit Ausübung eines vereinbarten Andienungsrechts entstehenden Kaufpreisanspruch, verschafft aber nicht Gewissheit über die Vorausabtretung einer Kaufpreisforderung, die nach Ablauf der Leasingzeit im Wege freier Vereinbarung entsteht (Dresd WM 99, 2108). Die Mitteilung durch den Zessionar vermittelt Kenntnis, wenn dieser vertrauenswürdig erscheint (BGHZ 102, 68, 74; NJW-RR 04, 1145, 1148). Erbittet der Zessionar in der Abtretungsanzeige die schriftliche ›Anerkennung‹ der Abtretung, so soll dies den Schuldner nicht bösgläubig machen, da aus dieser Formulierung der juristische Laie den Schluss ziehen darf, dass die Wirksamkeit der Zession von seiner Zustimmung abhängt (Rostock MDR 00, 444, zw).
III. Tatsächliche Kenntnis.
Rn 7
Da § 407 die tatsächliche Kenntnis in der Person des Schuldners voraussetzt, genügt der bloße Zugang einer Abtretungsmitteilung iSv § 130 grds nicht. Dieser hat aber zum einen Auswirkungen auf die Beweislastverteilung (s Rn 10). Zum anderen kann es dem Schuldner nach Treu u Glauben verwehrt sein, sich auf seine Unkenntnis zu berufen (BGHZ 135, 39, 43; NJW-RR 04, 1145, 1147). Das Wissen eines Angestellten muss sich der Schuldner analog § 166 nur dann zurechnen lassen, wenn dieser befugt war, ihn gerade bei der Erfüllung der abgetretenen Forderung zu vertreten (BGH NJW 60, 1805; 77, 581). Ein Organisationsverschulden kann dazu führen, dass die Berufung auf seine Unkenntnis treuwidrig u damit unbeachtlich ist, etwa wenn vor Abgabe an das elektronische Zahlungssystems die Identität von Rechnungssteller u Zahlungsempfänger nicht überprüft wird (BGH NJW 77, 581) oder Abtretungsanzeigen an den für den Zahlungsverkehr zuständigen Mitarbeiter nicht zuverlässig weitergeleitet werden (BGHZ 135, 39, 44 ff). Durch die Eintragung der Veräußerung eines Handelsgeschäfts wird die tatsächliche Kenntnis von einem Forderungsübergang nicht ersetzt, da mit dem Inhaberwechsel nicht automatisch ein Gläubigerwechsel verbunden ist (MüKo/Krebs HGB § 15 Rz 68; aA Staud/Busche § 407 Rz 39).
IV. Gesetzlicher Forderungsübergang.
Rn 8
Im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs werden an die Kenntnis des Schuldners nur maßvolle Anforderungen gestellt, um den Schutz der Leistungsträger nicht zu unterlaufen. Daher genügt das Wissen um die tatsächlichen Umstände, welche die Sozialversicherungspflicht begründen bzw die Inanspruchnahme der entspr Leistungen nahe legen (BGHZ 127, 120, 128; NJW 08, 1162, 1164; VersR 14, 1395, 1397). Bei einem Forderungsübergang aufgrund von Gesetzesänderungen ist Kenntnis mit der Verkündung im Gesetzblatt gegeben (BGH NJW 84, 607). Reine Tatsachenkenntnis genügt nicht, wenn nach dem damaligen Stand der Rspr die Voraussetzungen für einen Forderungsübergang nicht gegeben waren (Celle VersR 77, 549). Für den Übergang von Lohnfortzahlungsansprüchen nach § 6 EFZG gelten strengere Anforderungen (dazu Kobl VersR 80, 971).
V. Zeitpunkt.
Rn 9
Abzustellen ist bei einer Leistung auf die Vornahme der Leistungshandlung, nicht auf den Eintritt des Leistungserfolgs (BGHZ 105, 358, 360; NJW-RR 04, 1145, 1147f). Der Schuldner, der zwischenzeitlich von der Abtretung erfährt, ist nicht verpflichtet, den Leistungserfolg zu verhindern, etwa einen Überweisungsauftrag zu stornieren (BGHZ 105, 358, 360 ff; Brandbg BeckRS 22, 11605). Bei einem ggü dem bisherigen ...