Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
Gesetzestext
(1) 1Der Schuldner ist dem neuen Gläubiger gegenüber zur Leistung nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung ausgestellten Urkunde verpflichtet. 2Eine Kündigung oder eine Mahnung des neuen Gläubigers ist unwirksam, wenn sie ohne Vorlegung einer solchen Urkunde erfolgt und der Schuldner sie aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
(2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der bisherige Gläubiger dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt hat.
A. Bedeutung.
Rn 1
Die Vorschrift soll dem Schuldner den Schutz des § 409 sichern u ihm ein Beweismittel an die Hand geben. Sie begründet keinen selbstständigen Anspruch auf Aushändigung einer Urkunde, sondern ein Leistungsverweigerungsrecht eigener Art (BGH NJW 69, 1110; 86, 977 [BGH 21.11.1985 - VII ZR 305/84]; 12, 3426, 3427; BeckOGK/Lieder § 410 Rz 12). Es schließt den Verzug nur aus, wenn es vom Schuldner geltend gemacht wird (BGH NJW 07, 1269 [BGH 24.11.2006 - LwZR 6/05]). Auch die Staatskasse kann sich darauf berufen, etwa wenn der neue Gläubiger den durch den beigeordneten Rechtsanwalt abgetretenen Vergütungsanspruch einfordert (Ddorf NJW 09, 1614 [OLG Düsseldorf 05.03.2009 - II -10 WF 2/09]). Bei der cessio legis (§ 412) muss die Urkunde den Rechtsübergang erkennen lassen. Hat der Altgläubiger dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt, so entfällt nach II das Leistungsverweigerungsrecht. Es besteht nach § 242 ferner dann nicht, wenn eine anderweitige Inanspruchnahme durch den Zedenten im konkreten Fall ausgeschlossen ist (BGH NJW 12, 3426, 3427 [BGH 23.08.2012 - VII ZR 242/11]; Köln VuR 21, 263 [OLG Köln 29.01.2021 - 9 U 184/20]).
B. Urkunde.
Rn 2
Die Urkunde entbindet den Gläubiger nicht vom Nachweis seiner Anspruchsberechtigung, sie hat vielmehr eine quittungsähnliche Funktion (BGH NJW 93, 1468, 1469). Sie muss der Form des § 126 genügen, eine Fotokopie ist nicht ausreichend (KG FamRZ 09, 1781; LAG Düsseldorf MDR 95, 612; MüKo/Kieninger § 410 Rz 5; aA BAG WM 68, 1047; Hoffmann, WM 11, 433, 437). Die Protokollabschrift einer protokollierten Abtretungserklärung genügt (BGH WM 69, 1416). Kann der Zessionar, etwa wg des Todes des Zedenten, die Abtretungsurkunde nicht beibringen, so muss er sich auf andere Weise legitimieren, um eine doppelte Inanspruchnahme zu verhindern (BGH WM 69, 598, 600; 82, 706).
C. Zurückweisung.
Rn 3
Die unverzügliche (§ 121) Zurückweisung nach I 2 macht die Erklärung des Zessionars ungültig. Sie muss erkennbar wg fehlender Abtretungsurkunde erfolgen (BGH NJW 07, 1269, 1272 [BGH 24.11.2006 - LwZR 6/05]). Durch spätere Berufung auf § 410 können die Verzugsfolgen für die Zukunft ausgeschlossen werden (BGH NJW 69, 1110). Über die gesetzlichen Fälle Kündigung u Mahnung hinaus ist die Vorschrift entspr auch auf andere Gestaltungserklärungen anwendbar (BGHZ 26, 241, 247f). Die Beweislast für die unverzügliche Zurückweisung liegt beim Schuldner, der Zessionar muss dies durch Nachweis der Vorlage oder Anzeige entkräften.