Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
I. Schuldnermehrheit.
Rn 2
§ 421 setzt zunächst voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers gg mehrere Schuldner richtet, ob tatsächlich auch jeder die Leistung erbringen kann, ist unerheblich (BGH NJW 85, 2643, 2644 [BGH 04.07.1985 - IX ZR 172/84]). Keine Schuldnermehrheit bilden Haupt- u Subunternehmer, da der Besteller nur Ansprüche gg den Hauptunternehmer hat (BGH NJW 81, 1779 [BGH 23.04.1981 - VII ZR 196/80]). Auch fehlt es an einer Schuldnermehrheit iSd § 421, wenn mehrere Personen eine identische Leistung an unterschiedliche, miteinander nicht verbundene Gläubiger zu erbringen haben (BGH NJW 94, 443).
II. Einmaliges Forderungsrecht.
Rn 3
Nach § 421 darf der Gläubiger zwar von jedem Schuldner die Leistung verlangen, insgesamt aber nur einmal. Nicht erfasst ist also das mehrfache Forderungsrecht (Verpflichtungskumulation), also etwa der Fall, dass der Gläubiger zur Befriedigung des Bedarfs vorsorglich mit mehreren Lieferanten selbstständige Verträge abschließt.
III. Pflicht zur gesamten Leistung.
Rn 4
In Abgrenzung zur Teilschuld ist der Schuldner nicht nur zu anteiliger Befriedigung verpflichtet, sondern schuldet die ganze Leistung. Bei unterschiedlichem Umfang der Verpflichtungen ist eine Gesamtschuld gegeben, soweit sich die Pflichten decken (RGZ 82, 436, 439 f; BGHZ 52, 39, 45).
IV. Identität des Leistungsinteresses.
Rn 5
Ein Gesamtschuldverhältnis entsteht nur dann, wenn die Pflichten der Befriedigung desselben Leistungsinteresses dienen. Verlangt wird keine vollständige Übereinstimmung des Leistungsinhalts, ausreichend ist vielmehr eine besonders enge Verwandtschaft (BGHZ 43, 227, 233). Dass die Pflichten der Beteiligten auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, schadet nicht (RGZ 77, 317, 323; 84, 415, 421; BGHZ 19, 114, 124; 52, 39, 44; 59, 97, 102), auch nicht, dass der eine Schuldner aufgrund Öffentlichen Rechts u der andere aufgrund Privatrechts haftet (Frankf NJW-RR 97, 1087, 1088), eine Schuld bedingt oder befristet ist oder Nebenbestimmungen wie der Leistungsort abweichen (Schlesw NJW 52, 1019 [OLG Stuttgart 03.04.1952 - 3 U 257/51]).
Rn 6
Ungleiches Leistungsinteresse besteht hingegen bei persönlicher Schuld u Grundschuld (BGHZ 105, 154 ff), den Ansprüchen des Bauherrn gg Architekt u Bauunternehmer auf Errichtung des Bauwerks (BGHZ 39, 261, 264) sowie dem Anspruch des Kindes auf Betreuungsunterhalt gg die Mutter u dem Schadensersatzanspruch wg vermehrter Bedürfnisse gg den Schädiger nach § 843 (BGHZ 159, 318, 320).
V. Gleichstufigkeit.
Rn 7
Früher forderten Lit u Rspr als zusätzliches Merkmal einen inneren Zusammenhang der Haftungsgründe iS einer rechtlichen Zweckgemeinschaft (vgl BGHZ 13, 360, 365 f; 59, 97, 99 mwN). Es ist unterdessen wg seiner Unbestimmtheit durch das Kriterium der Gleichstufigkeit ersetzt worden (BGHZ 106, 313, 319; 137, 76, 82; 159, 318, 319; NJW 12, 1946, 1947; für Verzicht auf zusätzliches Merkmal Soergel/Gebauer § 421 Rz 7 ff; Staud/Looschelders § 421 Rz 20 ff). Darin kommt zum Ausdruck, dass bei einer Gesamtschuld die beteiligten Schuldner eine Tilgungsgemeinschaft bilden. Daran fehlt es, wenn einer die Leistung endgültig erbringen u der andere aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung vorläufig eintreten soll.