Gesetzestext
1Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. 2Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.
A. Bedeutung.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Befugnisse des Gläubigers einer Gesamtschuld gg die Schuldner. Für den Gläubiger handelt es sich um die sicherste Form der Schuldnermehrheit, da er seine Forderung durchsetzen kann, solange nur ein Schuldner leistungsfähig ist, u er das Ausfallrisiko auf den leistenden Schuldner verlagern kann.
B. Voraussetzungen.
I. Schuldnermehrheit.
Rn 2
§ 421 setzt zunächst voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers gg mehrere Schuldner richtet, ob tatsächlich auch jeder die Leistung erbringen kann, ist unerheblich (BGH NJW 85, 2643, 2644 [BGH 04.07.1985 - IX ZR 172/84]). Keine Schuldnermehrheit bilden Haupt- u Subunternehmer, da der Besteller nur Ansprüche gg den Hauptunternehmer hat (BGH NJW 81, 1779 [BGH 23.04.1981 - VII ZR 196/80]). Auch fehlt es an einer Schuldnermehrheit iSd § 421, wenn mehrere Personen eine identische Leistung an unterschiedliche, miteinander nicht verbundene Gläubiger zu erbringen haben (BGH NJW 94, 443).
II. Einmaliges Forderungsrecht.
Rn 3
Nach § 421 darf der Gläubiger zwar von jedem Schuldner die Leistung verlangen, insgesamt aber nur einmal. Nicht erfasst ist also das mehrfache Forderungsrecht (Verpflichtungskumulation), also etwa der Fall, dass der Gläubiger zur Befriedigung des Bedarfs vorsorglich mit mehreren Lieferanten selbstständige Verträge abschließt.
III. Pflicht zur gesamten Leistung.
Rn 4
In Abgrenzung zur Teilschuld ist der Schuldner nicht nur zu anteiliger Befriedigung verpflichtet, sondern schuldet die ganze Leistung. Bei unterschiedlichem Umfang der Verpflichtungen ist eine Gesamtschuld gegeben, soweit sich die Pflichten decken (RGZ 82, 436, 439 f; BGHZ 52, 39, 45).
IV. Identität des Leistungsinteresses.
Rn 5
Ein Gesamtschuldverhältnis entsteht nur dann, wenn die Pflichten der Befriedigung desselben Leistungsinteresses dienen. Verlangt wird keine vollständige Übereinstimmung des Leistungsinhalts, ausreichend ist vielmehr eine besonders enge Verwandtschaft (BGHZ 43, 227, 233). Dass die Pflichten der Beteiligten auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, schadet nicht (RGZ 77, 317, 323; 84, 415, 421; BGHZ 19, 114, 124; 52, 39, 44; 59, 97, 102), auch nicht, dass der eine Schuldner aufgrund Öffentlichen Rechts u der andere aufgrund Privatrechts haftet (Frankf NJW-RR 97, 1087, 1088), eine Schuld bedingt oder befristet ist oder Nebenbestimmungen wie der Leistungsort abweichen (Schlesw NJW 52, 1019 [OLG Stuttgart 03.04.1952 - 3 U 257/51]).
Rn 6
Ungleiches Leistungsinteresse besteht hingegen bei persönlicher Schuld u Grundschuld (BGHZ 105, 154 ff), den Ansprüchen des Bauherrn gg Architekt u Bauunternehmer auf Errichtung des Bauwerks (BGHZ 39, 261, 264) sowie dem Anspruch des Kindes auf Betreuungsunterhalt gg die Mutter u dem Schadensersatzanspruch wg vermehrter Bedürfnisse gg den Schädiger nach § 843 (BGHZ 159, 318, 320).
V. Gleichstufigkeit.
Rn 7
Früher forderten Lit u Rspr als zusätzliches Merkmal einen inneren Zusammenhang der Haftungsgründe iS einer rechtlichen Zweckgemeinschaft (vgl BGHZ 13, 360, 365 f; 59, 97, 99 mwN). Es ist unterdessen wg seiner Unbestimmtheit durch das Kriterium der Gleichstufigkeit ersetzt worden (BGHZ 106, 313, 319; 137, 76, 82; 159, 318, 319; NJW 12, 1946, 1947; für Verzicht auf zusätzliches Merkmal Soergel/Gebauer § 421 Rz 7 ff; Staud/Looschelders § 421 Rz 20 ff). Darin kommt zum Ausdruck, dass bei einer Gesamtschuld die beteiligten Schuldner eine Tilgungsgemeinschaft bilden. Daran fehlt es, wenn einer die Leistung endgültig erbringen u der andere aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung vorläufig eintreten soll.
C. Einzelfälle.
I. Gesamtschuld kraft Gleichstufigkeit.
Rn 8
Gesamtschuldner sind: Architekt u Bauunternehmer bzw Handwerker bzgl der gemeinsam zu verantwortenden Baumängel (BGHZ 43, 227, 232 ff; 51, 275, 277; NJW-RR 08, 176, 178; Saarbr NJW 16, 3186, 3191, aber anders, wenn der Architekt nur seine Pflicht zur Objektbegehung zum Zwecke der nachträglichen Feststellung von Mängeln verletzt hat, BGHZ 235, 215), Architekt u Statiker (BGH VersR 71, 667; Stuttg BauR 08, 879), Bauunternehmer verschiedener Gewerke, deren fehlerhafte Leistungen zu Mängeln geführt haben, die nur einheitlich beseitigt werden können (BGHZ 155, 265, 267 ff; Ddorf NJW 16, 168), Architekt u Nachunternehmer, auch wenn letzterer erst durch Abtretung Schuldner des Bauherrn geworden ist (Brandbg NJW-RR 17, 1489), zu Schadensersatz oder Rückgewähr verpflichteter Verkäufer u wg mangelhafter Ankaufsuntersuchung haftender Tierarzt (BGHZ 192, 182; NJW 12, 1070), ersatzpflichtiger Verletzer u Arzt, dessen Behandlungsfehler zu einer Verschlechterung geführt hat (Braunschw OLGR 04, 464; Kobl NJW 08, 3006), Arzt u Hebamme wegen Geburtsschaden (BGHZ 235, 369), aus Delikt haftender Architekt u nach § 906 II 2 ausgleichspflichtiger Nachbar (BGHZ 85, 375, 386), Projektsteuerer u Architekt ...