I. Einleitung.
Rn 13
Die Übergabe (I 1 Alt 1), die Verschaffung des Eigentums (I 1 Alt 2) und die Freiheit der Sache von Sach- und Rechtsmängeln (I 2) sind die vom Verkäufer geschuldeten im synallagmatischen Verhältnis gem § 320 I stehenden drei Hauptleistungspflichten. Sie sind vom Verkäufer kumulativ zu erfüllen. Fehlt es nur an der Erfüllung einer Hauptleistungspflicht, liegt insgesamt keine Erfüllung vor, nicht eine Teilerfüllung; dies gilt uneingeschränkt auch im Verhältnis von Übergabe und Eigentumsverschaffung (BGH NJW-RR 99, 346, 347 [BGH 30.10.1998 - V ZR 367/97]). Im Handelsverkehr wird die Erfüllung der Hauptleistungspflichten häufig nur unter dem Vorbehalt der Selbstbelieferung zugesagt. Die Hauptleistungspflichten werden ergänzt durch gesetzlich nicht geregelte Neben(leistungs)pflichten.
II. Übergabe.
1. Begriff.
Rn 14
›Übergabe‹ meint Einräumung des unmittelbaren Besitzes gem § 854 (Karlsr ZMR 08, 652 Rz 13 f; Erman/Grunewald Rz 14) und ist nicht identisch mit Ablieferung iSd § 438 II Alt 2 (§ 438 Rn 21) und § 377 HGB sowie Auslieferung an die Transportperson iSd § 447 I (BGHZ 1, 4, 6 f; § 447 Rn 12).
2. Ersatzformen.
Rn 15
Andere Formen der Einräumung besitzartiger Positionen, die Begründung mittelbaren Besitzes (§§ 868, 930) und die Abtretung von Herausgabeansprüchen gegen den unmittelbaren Besitzer (§ 931), ersetzen die Übergabe nur bei entspr Vereinbarung. Sie ist anzunehmen bei Einigung über den Fortbestand der Vermietung an einen Dritten oder die Anmietung durch den Verkäufer (Staud/Beckmann § 446 Rz 23 ff). Dasselbe gilt für die Übergabe von handelsrechtlichen Traditionspapieren (zB Konnossement: § 650 HGB), die ungeachtet ihrer eigentumsrechtlichen Traditionswirkung die Verschaffung unmittelbaren Besitzes nur bei entspr Vereinbarung substituieren (Staud/Beckmann Rz 113 mit Klauselbsp; aA Erman/Grunewald Rz 15).
3. Dritte.
Rn 16
Auf Seiten des Verkäufers können Dritte als Geheißpersonen die Übergabe vornehmen mit der seltenen Ausn einer höchstpersönlichen Leistungspflicht. Auf Seiten des Käufers muss die Übergabe an ihn selbst oder seinen Besitzdiener (§ 855) stattfinden (AG Miesbach NJW-RR 05, 422, 423: Übergabe an Nachbarn reicht nicht). Übergabe an einen Dritten reicht nur bei entspr Vereinbarung; praktisch bedeutsam ist das Streckengeschäft, bei dem Hersteller als Verkäufer und Zwischen(Groß-)Händler als Käufer die Übergabe unmittelbar an den Kunden des Käufers vereinbaren, der typisch Einzelhändler oder Endnutzer ist.
III. Verschaffung des Eigentums.
1. Begriff.
Rn 17
Die Norm fordert Übereignung auf einem dafür zur Verfügung stehenden Weg: §§ 929–931 oder unter Einsatz handelsrechtlicher Traditionspapiere.
2. Pflichtenstellung des Verkäufers.
Rn 18
Zu unterscheiden sind Erfüllung und Leistungspflichten des Verkäufers.
a) Erfüllung.
Rn 19
Erst mit vollständigem Übergang unbelasteten Eigentums tritt Erfüllung ein, also bei einem Grundstück mit Eintragung des Käufers im Grundbuch nach Löschung aller nicht übernommenen Belastungen (RG 85, 402f) und Erfüllung aller Nebenpflichten. Bis dahin hat der Insolvenzverwalter das Wahlrecht gem § 103 InsO (jew zur KO BGHZ 58, 246, 248 ff; BGH NJW 83, 1619; zum Eigentumsvorbehalt s § 449 Rn 14).
b) Leistungspflichten.
Rn 20
Der Eigentumsübergang gehört nicht zu den Leistungspflichten des Verkäufers, sondern allein die Bewirkung von und Mitwirkung bei allen erforderlichen Maßnahmen (RG 118, 100, 101 ff; BGHZ 174, 61 Rz 32; BGH WM 71, 936, 937; kein Fall von § 435, s dort Rn 2). Daher schuldet der Verkäufer allen ihm möglichen Einsatz für die Eintragung des Käufers im Grundbuch, die Löschung wegzufertigender Belastungen, die Erteilung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen und die Beseitigung von Hindernissen für die Übereignung (RG JW 28, 2856; BGHZ 174, 61 Rz 33, 48–50; BGH NJW 69, 838 f; Ddorf DNotZ 17, 600 Rz 30; verkannt v Brandbg BeckRS 08, 16897). Diese Begrenzung ist geboten, weil der Verkäufer für die Erfüllung auf Mitwirkungshandlungen des Käufers – zB Entgegennahme der Auflassung – oder Dritter – zB Umschreibung durch das Grundbuchamt – angewiesen ist, für die er nicht einstandspflichtig sein kann (RG 118, 100, 101 ff).
3. Gutgläubiger Erwerb.
Rn 21
Da es allein auf die rechtliche Wirksamkeit der Übereignung ankommt, genügt gutgläubiger Erwerb durch den Käufer (BGH WM 57, 637; HP/Faust Rz 39 mwN), nicht aber mangels einer dauerhaften und absoluten Eigentumsposition, zB bei Bestehen eines relativen Veräußerungsverbotes (§ 135), die Verschaffung bloßen Bucheigentums (RG 132, 145, 148 f; Grüneberg/Weidenkaff Rz 18).
4. Dritte.
Rn 22
Auf Seiten des Verkäufers können Dritte beliebig an der Übereignung beteiligt sein, zB bei unmittelbarer Übereignung vom Lieferanten des Verkäufers auf den Käufer. Beim Streckengeschäft erfolgt die Übereignung regelmäßig doppelt im Wege des Geheißerwerbs unmittelbar zwischen den jeweiligen Vertragspartnern (BGH NJW 82, 2371 f [BGH 22.03.1982 - VIII ZR 92/81]; 86, 1166 f [BGH 05.11.1985 - VI ZR 40/84]; HP/Faust Rz 38).
5. Urkunden.
Rn 23
Als Teil der Hauptleistungspflicht des Verkäufers sind für die Eigentumslegitimation wichtige Urkunden zu übereignen bzw zu übergeben (BGH NJW 53, 1347; 83, 2139 [BGH 15.06.1983 - VIII ZR 131/82]; Oldbg NJW-RR 00, 507 [OLG...