I. Bedeutung.
Rn 74
Die Behandlung des Aliuds hat praktische Bedeutung va beim Gattungskauf, bei dem sich Schlecht- und Falschlieferung oft kaum abgrenzen lassen (vgl nur BGH NJW 89, 218, 219 [BGH 23.11.1988 - VIII ZR 247/87] ›Glykolwein‹; HP/Faust Rz 145 mw Bsp). Die Norm stellt in Übereinstimmung mit dem UN-Kaufrecht (MüKo/Gruber Art 35 Rz 3–7; vgl BGHZ 132, 290, 296 f ›Kobaltsulfat‹) die Qualitätsabweichung einem Sachmangel gleich. Verkäufer muss Aliud mit Erfüllungswillen geliefert haben, da V Aliud-Lieferung einem Sachmangel gleichstellt (BTDrs 19/27424, 25; Hamm MDR 11, 472, 473 [OLG Hamm 11.01.2011 - I-19 U 52/10]; Tiedtke/Schmitt JZ 04, 1092, 1095).
II. WKRL.
Rn 75
Im Zuge der Umsetzung der WKRL in nationales Recht ist die Gleichstellung mit einem Sachmangel nur noch für die Aliud-Lieferung notwendig. Wird zu wenig geliefert, liegt darin bereits ein Sachmangel wegen Nichteinhaltung der objektiven oder ggf subjektiven Anforderungen (II 2, III 2). Die Anpassung folgt der Nennung der Menge als Beschaffenheitsmerkmal in Art 6 lit a, 7 I lit d WKRL. Zur Mankolieferung s Rn 27c ff.
III. UN-Kaufrecht.
Rn 76
Die Falschlieferung stellt wie die Schlechtlieferung Vertragswidrigkeit dar (Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer Art 35 Rz 10; MüKo/Gruber Art 35 Rz 5).
IV. Gattungskauf.
Rn 77
Beim Gattungskauf (s § 243 Rn 12) steht die Falsch- der Schlechtlieferung gleich (aA bei offensichtlicher Verwechslung und unbestellter Ware: Müller WM 11, 1249, 1252f).
V. Stückkauf.
Rn 78
Der Wortlaut des V (›eine andere Sache‹) stimmt insoweit mit III Alt 1 aF überein, sodass auch die Neufassung den Stückkauf regelt (Identitäts-Aliud oder -mangel) (zu aF BTDrs 14/6040, 216; HP/Faust Rz 144; Müller WM 11, 1249, 1254; aA Altmeppen/Reichard in: FS Huber 73, 82 ff). Dies gilt, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, auch für das krasse Aliud, zB Fahrrad statt Auto (HP/Faust Rz 146; ebenso für das UN-Kaufrecht zB Witz/Salger/Lorenz/Salger Art 35 Rz 7; aA Müller aaO). Die Genehmigungsfähigkeit iSd § 378 HGB aF spielt keine Rolle mehr (Erman/Grunewald Rz 45). Bei einer schon konkretisierten Sachgesamtheit entscheidet die Verkehrsauffassung, ob sie durch Austausch von Einzelteilen ihre Identität verliert (nein für Einbau von Austauschmotor Saarbr NJW-RR 13, 1206 [OLG Saarbrücken 25.04.2013 - 4 U 83/11-24]).
VI. Rechtsfolgen.
1. Gattungskauf.
Rn 79
Der Nacherfüllungsanspruch geht auf Lieferung gattungsgerechter Kaufsachen mittlerer Art und Güte (§ 243 I). Genereller Haftungsausschluss schließt Haftung für Aliud nicht aus (AG Aachen NJW-RR 05, 1143 [AG Aachen 17.05.2005 - 10 C 69/05] für eBay-Kauf).
2. Stückkauf.
Rn 80
Der Nacherfüllungsanspruch richtet sich auf Lieferung der vereinbarten Sache (Musielak NJW 03, 89, 90; so ist BTDrs 14/6040, 216, zu verstehen). Will Käufer höherwertiges Aliud behalten, muss er nicht den – eigentlich angemessenen – höheren Kaufpreis bezahlen (HP/Faust Rz 113; MüKo/Westermann Rz 46); der Verkäufer ist aber berechtigt, das Aliud zu kondizieren und das Zurückbehaltungsrecht des Käufers durch Lieferung der geschuldeten Kaufsache abzuwenden (Grüneberg/Weidenkaff Rz 44; abw: nur über Anfechtung der Übereignung Wiese AcP 206, 902, 939–941; aA HP/Faust Rz 149, § 437 Rz 204 ff; Tiedtke/Schmitt JZ 04, 1092, 1098f).
3. Verbrauchsgüterkauf.
Rn 81
Wegen des für V konstitutiven Erfüllungswillens des Verkäufers (Rn 74) findet § 241a (Lieferung unbestellter Waren) keine Anwendung (Staud/Matusche-Beckmann Rz 150; Altmeppen/Reichard in: FS Huber 73, 84 f; Tiedtke/Schmitt JZ 04, 1092, 1099; aA § 241a Rn 9; Kohler AcP 204, 606, 609 ff; glossierend ders JZ 04, 348; Wrase/Müller-Helle NJW 02, 2537, 2538f).