I. Allgemeines Leistungsstörungsrecht, insb Unmöglichkeit.
Rn 71
Die Regeln des allg Schuldrechts gelten bis zum Gefahrübergang bei Sachmängeln bzw Eigentumsübergang bei Rechtsmängeln (s Rn 3, 4, 6). Ab dann ist § 437 lex specialis (Grüneberg/Weidenkaff Rz 48).
II. Anfechtung.
1. Nach § 119 I.
Rn 72
Die Anfechtung wegen Inhalts- und Erklärungsirrtums ist unabhängig von § 437 zulässig (BGH ZIP 05, 531, 532; MüKo/Westermann Rz 55).
2. Nach § 119 II.
a) Des Käufers.
Rn 73
Der Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Kaufsache ist typisch durch eine Abweichung der Kaufsache von der geschuldeten Beschaffenheit verursacht. Damit § 119 II nicht den Anwendungsbereich des § 437 größtenteils abdeckt, muss es bei der Verdrängung des Eigenschaftsirrtums durch das Mängelrecht bleiben (hM: MüKo/Westermann Rz 53; Staud/Matusche-Beckmann Rz 24–42 mwN; aA HP/Faust Rz 191). § 437 ist insoweit abschließend unabhängig davon, ob die konkrete Eigenschaft Mängelrechte begründet (MüKo/Westermann Rz 53; aA zur aF BGH NJW 79, 160, 161, insoweit in BGHZ 72, 252 nicht abgedr). Mit dem Verweis in Nr 2, 3 auf das allg Leistungsstörungsrecht ist anders als bisher bei behebbaren Mängeln die Anfechtung gem § 119 II schon vor Gefahr- bzw Eigentumsübergang ausgeschlossen (MüKo/Westermann Rz 53; Staud/Matusche-Beckmann Rz 29; dahin tendierend BTDrs 14/6040, 210; aA Grüneberg/Weidenkaff Rz 53; Erman/Grunewald vor § 437 Rz 25f).
b) Des Verkäufers.
Rn 74
Der Verkäufer ist zur Anfechtung gem § 119 II berechtigt, wenn er sich zugunsten des Käufers über wertbildende Eigenschaften geirrt hat. Die Anfechtung ist daher ausgeschlossen für alle Eigenschaften, die zu Mängelrechten des Käufers führen können (Staud/Matusche-Beckmann Rz 35; MüKo/Westermann Rz 55; zur aF BGH NJW 88, 2597 f [BGH 08.06.1988 - VIII ZR 135/87]; generell RG 124, 115, 120 ›Ming-Vasen‹).
3. Nach § 123.
Rn 75
Der Vorwurf der arglistigen Täuschung oder Drohung wiegt so schwer, dass nach Wahl des Käufers die Anfechtung statt der Ausübung der Rechte aus § 437 erklärt werden kann (ganz hM: Rostock OLGR 06, 925; Saarbr OLGR 09, 625 Rz 55; Saarbr NJW-RR 13, 1523 [OLG Saarbrücken 06.02.2013 - 1 U 132/12 - 37]; aA für objektiv unerhebliche Pflichtverletzungen Roth JZ 06, 1026, 1027f [BGH 24.03.2006 - V ZR 173/05]).
III. cic.
Rn 76
In Übernahme der Wertungen der aF hat der BGH die grds Sperrwirkung des Mängelrechts für Ansprüche aus cic anerkannt (BGHZ 180, 205 Rz 19–23; BGH NJW-RR 16, 3015 Rz 63). Anderenfalls würden die Ansprüche aus cic die kaufrechtlichen Sonderregeln vielfach überflüssig machen (BGHZ 180, 205 Rz 22), zB die Sperrwirkung negativer Beschaffenheitsvereinbarungen effektiv aufheben (s § 434 Rn 24). Die aA fordert eine generelle Konkurrenz von Mängelrecht und cic insb wegen der strukturellen Verschiedenheit der Voraussetzungen (HP/Faust Rz 200; Häublein NJW 03, 388, 391 ff). Da im vom BGH entschiedenen Sachverhalt keine Beschaffenheitsvereinbarung vorlag, hängt die Sperrwirkung nicht vom Bestehen einer vereinbarten Beschaffenheit ab; vielmehr steht ein Nichtbestehen von Mängelrechten aus anderen Gründen, zB wegen Verjährung, gleich. Nicht vom BGH entschieden ist die weitere Konsequenz, dass diese Sperrwirkung für Sach- und Rechtsmängel gleichermaßen eingreift (Erman/Grunewald Vor § 437 Rz 17; Staud/Matusche-Beckmann Rz 73; ferner die Zitate zum Vorsatz). Die Gleichstellung der Rechtsmängel insoweit folgt daraus, dass mit ihrem Einbezug in § 437 jeder Grund für eine Sonderregelung entfallen ist (aA Brandbg BeckRS 10, 17087). Als Grenze hat der BGH zu Recht festgestellt, dass die Sperrwirkung nicht ›bei arglistigem (vorsätzlichem) Verhalten des Verkäufers gerechtfertigt‹ ist (BGHZ 180, 205 Rz 24; NJW 10, 858 [BGH 16.12.2009 - VIII ZR 38/09] Rz 20; Staud/Matusche-Beckmann Rz 74 ff; aA Mertens AcP 203, 818, 826 ff). Dies ergibt sich aus der auch im Kaufrecht besonderen Behandlung des arglistigen Verkäufers, vgl §§ 444, 442 I 2. Die Ansprüche sind beschränkt auf den Ersatz des Vertrauensschadens, für Erfüllungsansprüche bleibt es beim Vorrang des Mängelrechts (Saarbr OLGR 09, 625 Rz 59–63). Zur Arglisthaftung s § 444 Rn 16 ff.
Rn 77
Mängelrechte haben nur die Abweichung der tatsächlichen von der geschuldeten, va vereinbarten Beschaffenheit zum Gegenstand. Sie regeln nicht, wie Pflichtverletzungen eines Verkäufers zu beurteilen sind, der dem Käufer nicht nur als solcher ggü trat, sondern unter Übernahme einer Beratungspflicht, als ›Berater und Fachmann‹ den Abschluss der Beschaffenheitsvereinbarung beeinflusste (s Bsp Rn 59). Auf konkrete kaufvertragliche Nebenpflichten, die über die allg Treuepflicht einer Vertragspartei gem § 311 I hinausgehen, wie der aus Beratung oder langjähriger Geschäftsverbindung, kann daher ein Anspruch wegen Verletzung einer kaufvertraglichen Nebenpflicht nach wie vor gestützt werden.
IV. Selbstständiger Beratungsvertrag.
Rn 78
Die Grundsätze der separaten Haftung eines Verkäufers aus einem neben dem Kaufvertrag geschlossenen selbstständigen Beratungsvertrag gelten nach der Schuldrechtsreform fort (so ohne Erörterung BGH NJW 15, 1510 Rz 8; WM 16, 2167 Rz 25; vgl MüKo/Emmerich § 311 Rz 86 ff; krit Mertens AcP 03, 818, 851 ff). Einen solchen Vertrag nimmt d...