I. Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung.
Rn 21
Der Gesetzgeber hat die Vorgabe der VerbrGKRL, die auch in der WKRL weiterhin enthalten ist, dass der Käufer zwischen beiden Arten der Nacherfüllung auswählt, für alle Kaufverträge übernommen (BTDrs 14/6040, 231). Die Entscheidung wird zu Recht kritisiert (HP/Faust Rz 16.1). Sie ist schon wegen der größeren Sachnähe des Verkäufers nicht gerechtfertigt. Dogmatisch verstößt sie dagegen, dass es in die Verantwortung des Verkäufers als Schuldner fällt, wie er seiner Verpflichtung zu mangelfreier Lieferung im zweiten Anlauf nachkommt. Da auch auf Basis des Gesetzes Korrekturen der Entscheidung des Käufers notwendig sind (s BTDrs 14/6040, 321), ist die Ausschlussregelung von IV entgegen der Gesetzessystematik ein immanenter Bestandteil des Wahlrechts.
II. Wahlrecht (Abs 1).
1. Rechtsnatur.
Rn 22
I gewährt dem Käufer die Wahl zwischen zwei verschiedenen Ansprüchen, so dass eine elektive Konkurrenz, keine Wahlschuld vorliegt (BGH BeckRS 18, 27613 Rz 45; Skamel, 53–64; s.a. § 437 Rn 14). Deshalb hat der Käufer das ius variandi: die Wahl ist nicht gem § 263 II bindend, so dass er bei Fehlschlagen einer Art der Nacherfüllung auf die andere umsteigen kann (LG Hagen NJW-RR 12, 117, 118 [LG Hagen 29.07.2011 - 2 O 50/10]; HP/Faust Rz 19; Spickhoff BB 03, 589, 592; aA MüKo/Westermann Rz 7). Es ist nach Sinn und Zweck aber für eine angemessene Frist nach Ausübung suspendiert, damit der Verkäufer Zeit zur Erfüllung erhält (Verbot des venire contra factum proprium: Saarbr NJW 09, 369, 371 [OLG Saarbrücken 29.05.2008 - 8 U 494/07]; Celle NJW 13, 2203, 2204 [OLG Celle 19.12.2012 - 7 U 103/12]; MüKo/Westermann Rz 6 f; Spickhoff aaO). Die Nichtausübung führt nach Mahnung zum Verzug mit der Verpflichtung des Käufers zur – ›modifizierten‹ – Abnahme (Mankowski NJW 06, 1761, 1764). Endgültig erlischt das Wahlrecht erst mit Erfüllung, rechtskr Verurteilung des Verkäufers zu einer Art der Nacherfüllung, Annahmeverzug des Käufers oder Vereinbarung der Parteien (vgl HP/Faust Rz 19). Der Käufer kann dem Verkäufer das Wahlrecht überlassen (MüKo/Westermann Rz 4). Zu den Auswirkungen einer eigenmächtigen Nachbesserung durch den Verkäufer auf das Wahlrecht des Käufers s Markworth NJW 19, 266.
2. Ausübung.
Rn 23
S Rn 11, § 437 Rn 16.
III. Ausschluss (Abs 4).
Rn 24
Die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ist ausgeschlossen, wenn sie unmöglich ist oder der Verkäufer sie berechtigt verweigert.
1. Unmöglichkeit (§ 275 I).
Rn 25
Bei Nachbesserung liegt Unmöglichkeit vor, wenn objektiv der Mangel nicht beseitigt werden kann. Bsp: Beseitigung hat andere, nicht zu vernachlässigende Mängel zur Folge (BGHZ 163, 234, 242 f Operation eines Hundes; BGH NJW 22, 1238 Rz 59 ff: Verkäufer trägt die Darlegungs- und Beweislast, dass keine Folgemängel entstehen, wobei den Käufer eine sekundäre Darlegungslast trifft); Unfallschäden bei geschuldeter Unfallfreiheit (BGH NJW 22, 1238 Rz 59; BGHZ 168, 64 Rz 17; 174, 290 Rz 12); Käufer eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück kann Zustimmung der Miteigentümer nicht oder nur im Klageweg bewirken (BGH NJW 20, 2104 [BGH 14.02.2020 - V ZR 11/18] Rz 62); Verbleiben eines merkantilen Minderwerts (BGH NJW 22, 1238 Rz 101); nicht bei Neulackierung eines durch Vandalismus zerkratzten hochwertigen Gebrauchtwagens (BGHZ 181, 170 Rz 13). Die Unmöglichkeit entfällt, wenn der Käufer seinen Anspruch auf Ausbesserung, dh eine Nachbesserung soweit wie möglich unterhalb völliger Mangelfreiheit, beschränkt (Gutzeit NJW 07, 956 ff; Müller in: FS Westermann, 517, 523 mwN; zur deutlichen Erklärung des Käufers s BGH NJW 13, 1365 [BGH 06.02.2013 - VIII ZR 374/11] Rz 12). Ob eine Ersatzlieferung unmöglich ist, hängt maßgeblich von dem Inhalt und der Reichweite der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht ab; insoweit bedarf es einer interessengerechten Auslegung des Kaufvertrags nach §§ 133, 157 (BGH NJW 19, 1133 Rz 31; krit bzgl der Übertragbarkeit auf den Gebrauchtwagenkauf Ring SVR 19, 161, 165). Bei dem Kauf eines Fahrzeugs umfasst die Pflicht zur Ersatzlieferung idR auf Grundlage ergänzender Vertragsauslegung auch die Lieferung des Nachfolgemodells, weil typischerweise mit dem Markteintritt des Nachfolgemodells zu rechnen ist (BGH aaO, Rz 25–36 mwN; zust Staudinger/Ruks NJW 19, 1179, 1180; aA Skauradszun BB 22, 323, 328), jedoch nur dann, wenn das bei Vertragsabschluss maßgebliche Modell nicht mehr hergestellt wird (BGH NJW 22, 2923 [BGH 04.05.2022 - VIII ZR 50/20] Rz 53). Etwas anderes gilt außerdem dann, wenn die Parteien bewusst ein Auslaufmodell zum Gegenstand des Vertrages gemacht haben (BGH NJW 22, 1238 Rz 43). Weist das Nachfolgemodell einen erheblichen Mehrwert auf, ist die Ersatzlieferung idR nur gg eine angemessene Zuzahlung des Käufers geschuldet (BGH NJW 22, 1238 [BGH 08.12.2021 - VIII ZR 190/19] Rz 48 ff; krit Höpfner/Schneck NJW 22, 1209 ff; Skauradszun BB 22, 323, 325 ff). Ungeachtet dessen bleibt es hilfreich, sich daran zu orientieren, ob ein Gattungs- oder Stückkauf vorliegt.
a) Gattungskauf.
Rn 26
Ersatzlieferung ist solange möglich, wie die Gattung besteht oder hergestellt werden kann (Saarbr NJW-RR 20, 47; F...