I. Rechtsnatur.
Rn 6
I begründet einen selbstständigen Anspruch (BTDrs 18/8486, 41; Erman/Grunewald Rz 2), der unabhängig vom Anspruch auf Aufwendungsersatz gem §§ 284, 437 Nr 3 Alt 2 ist.
II. Voraussetzungen.
1. Mangelhaftigkeit in der Lieferantenkette.
Rn 7
Ein Mangel der Sache muss vorliegen im Verhältnis Verkäufer/Käufer wie im Verhältnis Verkäufer/Lieferant, also im Regressverhältnis (Erman/Grunewald Rz 4). Für letzteres folgt dies aus dem Wortlaut, ›der vom Käufer geltend gemachte Mangel (sc: musste) bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden‹ gewesen sein. Daher dürfen die Mängelrechte des Regressierenden nicht ausgeschlossen sein, zB gem § 442, § 377 HGB (zu § 478 aF: MüKo/Lorenz Rz 28; Staud/Matusche-Beckmann Rz 42), weil der Regressierende mit dem Käufer weitergehende Mängelrechte als mit seinem Lieferanten vereinbart hatte (zu § 478 aF: Staud/Matusche-Beckmann Rz 42) oder die Sache umgearbeitet hat (Keiser JuS 14, 961, 964: da I auf ›die‹ Kaufsache abstellt). Es muss sich um gesetzliche Mängelrechte handeln, so dass Ansprüche allein aufgrund anfänglicher oder nachträglicher Erweiterung der §§ 434 ff kein Regressrecht gewähren (vgl zu § 478 aF: Staud/Matusche-Beckmann Rz 12 ff).
2. Verletzung der Aktualisierungspflicht gem § 475b IV.
Rn 7a
Mit Geltung zum 1.1.22 liegt durch die Ergänzung von I ein ersatzfähiger Mangel auch bei Verletzung der objektiven Aktualisierungspflicht nach § 475b IV vor, (s dazu § 475b Rn 7 ff). Im Gegensatz zum Mangel (Rn 7) wird der Regressanspruch allein durch die Verletzung der Aktualisierungspflicht im Verhältnis Verkäufer/Käufer (Verbraucher) ausgelöst. Folglich kann der Lieferant im Regress für die Verletzung einer Pflicht haften, welche dieser ggü seinem Käufer (Unternehmer) nicht hat (Lorenz NJW 21, 2067, Rz 20). Diese Neuerung resultiert aus der Tatsache, dass idR davon auszugehen ist, dass der Verkäufer technisch und rechtlich nicht in der Lage ist, Aktualisierungen anzubieten (BTDrs 19/27424, 27), sodass eine effektive Fehlerbehebung idR vom Hersteller zu erwarten ist (Firsching ZUM 21, 210, 212). Für den Fall, dass der Lieferant nicht zugleich Hersteller ist, gilt § 445a III entspr. Ist eine unterlassene Zurverfügungstellung von Aktualisierungen ggü dem Verbraucher allein auf den Verkäufer, nicht auf den Lieferanten zurückzuführen, so ist ein Regress des Verkäufers iRe teleologischen Reduktion zu versagen (Pfeiffer GPR 22, 223, 232; Lorenz NJW 21, 2068, Rz 20).
3. Aufwendungen gem §§ 439 II, III, VI 2, 475 IV.
Rn 8
Erfasst sind nur dem Verkäufer effektiv entstehende Kosten, einschl der Freistellung gem § 257 für geltend gemachte noch nicht erstattete Kosten (zu § 478 aF: HP/Faust Rz 22; aA MüKo/Lorenz Rz 27; Oetker/Maultzsch 218). Die Kosten müssen nach § 439 II, III, VI 2 bzw § 475 IV als Nacherfüllung geschuldet sein (s Wortlaut: ›zu tragen hatte‹; BTDrs 18/8486, 41); dazu gehören nicht: als unverhältnismäßig gem § 439 IV oder wegen Verjährung nicht geschuldeter Aufwand (zu § 478 aF: MüKo/Lorenz Rz 27; Keiser JuS 14, 961, 964; grds aA Lepsius AcP 207, 340, 354f), Prozesskosten des Letztverkäufers für einen verlorenen Mängelprozess gegen den Käufer (zu § 478 aF: Hamm NJW-RR 12, 355f [OLG Hamm 15.11.2011 - I-28 W 36/11]). Ist eine Art der Nacherfüllung unverhältnismäßig, ist nur der Aufwand für die andere Art ersatzfähig (zu § 478 aF: BGH NJW 22, 1238 [BGH 08.12.2021 - VIII ZR 190/19], Rz 109). Kosten, die durch Minderung/Rücktritt entstehen, sind keine Aufwendungen iSd I (Schudlo/Kammerer/Urban BB 22, 2759, 2762). Die Fehleinschätzung des Mangels/Umfangs der geschuldeten Kostenerstattung geht zu Lasten des Letztverkäufers (Erman/Grunewald Rz 4; teilw aA MüKo/Lorenz Rz 31). Es besteht kein Anspruch für aus Kulanz übernommene Kosten, da I dem (Letzt-)Verkäufer nicht Kundenpflege auf Kosten des Lieferanten ermöglichen soll (Erman/Grunewald Rz 6; zu § 478 aF: BTDrs 14/6040, 249). Gemeinkosten sind nicht erfasst (s Erman/Grunewald Rz 6), Arbeitszeit nur, soweit sie zusätzlich aufgewandt wird (HP/Faust Rz 19; aA Domisch/Giesa ZVertriebsR 20, 298, 299). Mit Änderung iRd WKRL ist die in § 439 VI nF normierte Kostentragung der Rücknahme durch den Verkäufer vom Regressanspruch umfasst. Da § 475 IV aF kein inhaltliches Pendant mehr in § 475 nF hat und ersatzlos gestrichen wurde sowie nach redaktioneller Überarbeitung die in § 475 VI aF niedergeschriebene Vorschussregelung nunmehr in IV nF zu finden ist (BTDrs 19/27424, 27), wurde der Verweis auf § 475 IV nF (mit neuem Inhalt betreffend den Vorschuss) beibehalten, während die Bezugnahme auf § 475 VI aF folgerichtig wegfällt.
4. Kein Recht auf Nacherfüllung.
Rn 9
In der Regresskette besteht kein Recht auf zweite Andienung des Lieferanten, so dass der Verkäufer über die Eindeckung für die Nacherfüllung frei entscheidet (Erman/Grunewald Rz 8; zu § 478 aF: MüKo/Lorenz Rz 30; Lepsius AcP 207, 340, 355 f; aA Oetker/Maultzsch 218); dies folgt aus dem Ausschluss der Nachfrist in II, die das Recht auf zweite Andienung sichert. Allerdings gilt gem Rn 7 iVm § 254 II, dass nur notwendige Kosten ersatzfähig sind, so dass durch Fremdeindeckung entstehender zusätzlicher, für den Verkäufer vermeidbarer Aufwand nicht gedeckt ist (MüKo/Lorenz Rz ...