I. Sachenrechtliche Vereinbarung.
Rn 6
Gem I Hs 1 wird der EV sachenrechtlich begründet, indem der Verkäufer sich bei Erfüllung des Kaufvertrags durch Übereignung das Eigentum vorbehält und der Käufer die Kaufsache annimmt. Nach der Auslegungsregel von I Hs 2 (HP/Faust Rz 11) liegt dann ›im Zweifel‹ eine Übereignung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. Zur Abgrenzung zu § 535 für vom Vermieter zur Verfügung gestellte Küche s LG Magdebg BeckRS 15, 04932. Für die rechtlichen Konsequenzen kommt es auch darauf an, wie sich der sachenrechtlich vereinbarte EV zur causa des Kaufvertrags verhält.
II. Aufgrund vertraglicher Regelung.
Rn 7
Der Kaufvertrag kann individualvertraglich oder durch AGB (generell zulässig: HP/Faust Rz 13 mwN) dem Verkäufer ausdrücklich gestatten, sich das Eigentum vorzubehalten. Bei AGB sind die Formen vielfältig: VerkaufsAGB, Aufdruck auf Briefpapier und Auftragsformularen, Hinweis in Prospekten (Grüneberg/Weidenkaff Rz 10); sie können auch für spätere mündlich erteilte Aufträge Wirksamkeit erlangen, selbst wenn der EV nicht mehr ausdrücklich angesprochen wird (Köln WM 96, 214, 215 [OLG Köln 27.10.1995 - 19 U 140/95]). Dann ist der sachenrechtliche vereinbarte EV vertragsrechtlich zulässig. Zugleich ist die Übereignung in Vollzug des Kaufvertrags regelmäßig als aufschiebend bedingt zu verstehen (Erman/Grunewald Rz 2, 6; MüKo/Westermann Rz 13; Bonin JuS 02, 438).
III. Ohne vertragliche Regelung.
Rn 8
Zu unterscheiden sind der Verstoß gegen eine Verpflichtung zur unbedingten Übereignung und das Fehlen einer Regelung.
Rn 9
(1) Ein Vorbehalt des Eigentums durch den Verkäufer entgegen einer Verpflichtung zur unbedingten Übereignung wird sachenrechtlich wirksam, wenn er spätestens bei Übergabe ausreichend deutlich erklärt wird (BGHZ 64, 395, 397 mwN; BGH NJW 79, 213, 214; 2199, 2200; 07, 3488 Rz 11f); rechtzeitig ist also die Erklärung im Lieferschein, nicht in der nachträglich versandten Rechnung (BGHZ 64, 395, 398). Die Übergabe eines Kfz unter Einbehalt des Briefs stellt idR die Erklärung des Vorbehalts dar (BGH NJW 07, 3488 [BGH 17.07.2007 - X ZR 31/06] Rz 12–14; Fritsche/Würdinger NJW 07, 1037 ff [BGH 13.09.2006 - VIII ZR 184/05]). Wegen der nachträglichen Abweichung von den Vertragsbedingungen muss die Erklärung ggü einer für die Entgegennahme solcher Erklärungen zuständigen Person auf Seiten des Käufers abgegeben werden (BGH NJW 79, 2199, 2200 [BGH 30.05.1979 - VIII ZR 232/78]; 82, 1749, 1750). Schuldrechtlich verletzt der Verkäufer so seine Pflicht zur Übereignung aus § 433 I 1 Alt 2 mit der Konsequenz der Haftung nach allg Leistungsstörungsrecht, insb wegen Verzugs (HP/Faust Rz 16; Erman/Grunewald Rz 3; offenbar BGH NJW 82, 1749, 1750 [BGH 03.02.1982 - VIII ZR 316/80]; abw: Annahme durch Käufer ändert Kaufvertrag Bonin JuS 02, 438f).
Rn 10
(2) Fehlen einer Regelung, zB weil nur Zahlung des Kaufpreises nach Übergabe ohne Eingehen auf die Übereignung geregelt ist, impliziert keine stillschweigende Verpflichtung zur unbedingten Übereignung zeitgleich mit der Übergabe (Erman/Grunewald Rz 5; MüKo/Westermann Rz 15; Hoffmann JuS 22, 697, 699 ff; U. Huber ZIP 87, 750, 757): Da nach § 320 I die gleichzeitige Leistungserbringung der Regelfall ist, erfasst die Verpflichtung zur Vorleistung nur die ausdrücklich geregelten Pflichten, hier also die Übergabe, nicht die Übereignung. Ein EV des Verkäufers wäre also vertragsgemäß.
IV. Kollision von AGB.
Rn 11
Ein in VerkaufsAGB enthaltener EV wird nicht Vertragsbestandteil, wenn die EinkaufsAGB eine Abwehrklausel enthalten (BGH NJW 85, 1838, 1839 f [BGH 20.03.1985 - VIII ZR 327/83]; NJW-RR 86, 984, 985 [BGH 05.03.1986 - VIII ZR 97/85]; vgl generell zur Erstreckung einer Abwehrklausel auf die EinkaufsAGB erg Klauseln BGH NJW-RR 01, 484, 485 [BGH 24.10.2000 - X ZR 42/99] mwN). Allerdings wusste der Käufer anders als beim vertragswidrigen EV (Rn 9) von vornherein, dass der Verkäufer nur unter EV veräußern will. Deshalb wird der einfache EV immer dann wirksam, wenn der Käufer ihn bei Vertragsschluss kannte oder zumutbar hätte kennen können (BGH NJW 82, 1749, 1750; 1751; Staud/Beckmann Rz 27; U. Huber ZIP 87, 750, 757; ebenso für unwirksame AGB BGHZ 104, 129, 137; 125, 83, 89 f; aA Erman/Grunewald Rz 4; Bonin JuS 02, 438, 440 f mwN). Demgegenüber werden der verlängerte und erweiterte EV nicht wirksam (BGH NJW-RR 86, 984, 985 [BGH 05.03.1986 - VIII ZR 97/85]; Staud/Beckmann Rz 27); damit erlangt die Ermächtigung zur Weiterveräußerung als Bestandteil des verlängerten EV keine Geltung, so dass der Käufer zur Weiterveräußerung nicht berechtigt ist (BGH NJW-RR 86, 1378, 1379 [BGH 18.06.1986 - VIII ZR 165/85]).