Gesetzestext
(1) 1Ist beim Kauf einer Ware mit digitalen Elementen eine dauerhafte Bereitstellung für die digitalen Elemente vereinbart, so gelten ergänzend die Regelungen dieser Vorschrift. 2Haben die Parteien nicht bestimmt, wie lange die Bereitstellung andauern soll, so ist § 475b Absatz 4 Nummer 2 entsprechend anzuwenden.
(2) Der Unternehmer haftet über die §§ 434 und 475b hinaus auch dafür, dass die digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab der Ablieferung der Ware, den Anforderungen des § 475b Absatz 2 entsprechen.
A. Grundsätzliches.
I. WKRL, Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift wurde iRd Umsetzung der WKRL neu eingefügt. § 475c tritt ergänzend neben § 475b und § 434u soll sicherstellen, dass auch Verträge, die eine dauerhafte Bereitstellungsverpflichtung zum Inhalt haben, trotz ihrer Atypik (für Kaufverträge ist grds ein einmaliger Leistungsaustausch charakteristisch) als Kaufverträge angesehen werden (BTDrs 19/27424, 34). Insoweit setzt die Norm die Wertungen der Art 7 III lit b, 10 II u 11 III WKRL um.
II. Anwendungsbereich.
Rn 2
§ 475c findet bei Verbrauchsgüterkäufen über Waren mit digitalen Elementen Anwendung, soweit die Bereitstellungsverpflichtung für die digitalen Elemente über einen gewissen Zeitraum hinweg besteht. Umfasst sind nur Verträge, welche ab dem 1.1.22 geschlossen wurden, für den Zeitraum davor s Kommentierung zur 16. Aufl.
B. Dauerhafte Bereitstellung (Abs 1).
Rn 3
Die Parteien können vereinbaren, dass die digitalen Elemente nicht nur punktuell, sondern über einen längeren Zeitraum bereitgestellt werden sollen. Der Begriff der ›dauerhaften Bereitstellung‹ wird in § 327e I 3 legaldefiniert und meint keinesfalls nur zeitlich unbegrenzte Fälle, sondern grds die fortlaufende Bereitstellung über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum, zB Verkehrsdaten in einem Navigationssystem, Cloud-Anbindung u Smartphone-Apps (BTDrs 19/27424, 34). Die konkludente Vereinbarung einer dauerhaften Bereitstellung ist insb dann denkbar, wenn die Ware für ihre Funktionsfähigkeit bspw auf eine Cloud-Anbindung angewiesen ist, zB Smartwatch (BTDrs 19/27424, 35). Für den Fall, dass zwar (konkludent) eine dauerhafte Bereitstellung vereinbart (so zumindest bisher die Praxis bei Cloud-Diensten, s Firsching ZUM 21, 210, 217), aber kein konkreter Bereitstellungszeitraum festgelegt wurde, greift § 475c I 2 als Lückenfüller ein. Nach dieser Auslegungsregel (Schulze/Saenger Rz 1) findet § 475b IV 1 Nr 2 entspr Anwendung, sodass sich der Zeitrum nach den berechtigten Verbrauchererwartungen richtet (vgl dort). Auch hier sind produktspezifische Umstände bedeutsam, zeitlich werden die Erwartungen aber idR nicht auf zwei Jahre beschränkt sein (Firsching ZUM 21, 210, 217: Rechtsunsicherheit als Folge).
C. Sachmangelfreiheit; Mindesthaftungsdauer (Abs 2).
Rn 4
II statuiert in Hs 1 eine Einstandspflicht des Unternehmers für die Mangelfreiheit der digitalen Elemente auch während des jeweiligen Bereitstellungszeitraums. § 475c II weicht diesbezüglich von §§ 434 I, 475b II ab. Für die Mangelfreiheit der Ware selbst verbleibt es beim Zeitraum des § 475b II (HP/Faust Rz 5). Die Norm trägt dem Umstand Rechnung, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Mangelfreiheit (abgesehen von der Aktualisierungsverpflichtung vgl § 475b Rn 7) bei einmaliger Bereitstellung digitaler Elemente weiterhin der Gefahrübergang ist. Soweit der Unternehmer sich aber dazu verpflichtet, digitale Elemente über einen gewissen Zeitraum bereitzustellen, trifft ihn folgerichtig auch die Pflicht, diese über diesen Zeitraum in vertragsgemäßem Zustand zu erhalten (BTDrs 19/27424, 35). Eine solche Sachmängelhaftung über einen länger andauernden Zeitraum war dem Kaufrecht bislang fremd (Roth/Neuschild ITRB 21, 210, 214). Die Pflicht zur Aufrechterhaltung der Vertragsgemäßheit umfasst von sich aus bereits die Aktualisierungs- und Informationspflicht nach § 475b II, III (BTDrs 19/31116, 16: der noch im RegE in BTDrs 19/27424 enthaltene § 475c III war insoweit obsolet u wurde gestrichen).
Rn 5
Vorgesehen ist in II Hs 2 zudem eine Mindesthaftungsdauer von zwei Jahren ab Lieferung der Ware u somit unabhängig von etwaigen vereinbarten Bereitstellungszeiträumen. Sie soll die zwingende Gewährleistung gem Art 10 I, II WKRL gewährleisten, und eine Umgehung bzw ein Unterlaufen durch kurze Bereitstellungszeiträume verhindern (BTDrs 19/27424, 35; Weiß ZVertriebsR 21 208, 214). Dies führt iVm der Beweislastumkehr gem § 477 II de facto zu einer Mindestbereitstellungsdauer von 2 Jahren (Kupfer/Weiß ZVertriebsR 21, 21, 24; Weiß ZVertriebsR 21, 208, 214; iErg wohl auch Schulze/Saenger Rz 3). Eine Beschränkung des Haftungszeitraums auf 2 Jahre ist zulässig und muss nicht den Anforderungen des § 476 I 2 genügen (Jaensch jM 22, 134, 137).