Gesetzestext
(1) 1Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 441 und 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann der Unternehmer sich nicht berufen. 2Von den Anforderungen nach § 434 Absatz 3 oder § 475b Absatz 4 kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden, wenn
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der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und |
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die Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. |
(2) 1Die Verjährung der in § 437 bezeichneten Ansprüche kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn von weniger als zwei Jahren, bei gebrauchten Waren von weniger als einem Jahr führt. 2Die Vereinbarung ist nur wirksam, wenn
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der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und |
2. |
die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. |
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet der §§ 307 bis 309 nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz.
(4) Die Regelungen der Absätze 1 und 2 sind auch anzuwenden, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
A. Grundsätzliches.
I. Bedeutung, Inhalt.
Rn 1
§ 476 erklärt als Zentralnorm des Verbrauchsgüterkaufs § 433 und bestimmte Normen des Mängelrechts zugunsten des Verbrauchers für zwingend; dasselbe gilt für die Normen des 3. Untertitels selbst. Für § 438 wird eine Erleichterung der Verjährung nur beschränkt zugelassen (II). Rechtsfolge eines Verstoßes ist die Geltung der Vorschrift, von der unzulässig abgewichen ist, und des Vertrags iÜ (BTDrs 14/7052, 199; BGH NJW 11, 3435 [BGH 13.07.2011 - VIII ZR 215/10]; HP/Faust Rz 16).
II. WKRL.
Rn 2
I setzt Art 7 I, V und Art 21 I der RL um, dabei wurde die Norm inhaltlich ergänzt und Folgeänderungen vorgenommen.
B. Zeitpunkt.
Rn 3
§ 476 gilt nur für ›vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer‹ getroffene Vereinbarungen (LG Essen BeckRS 13, 19783). Die Mitteilung – vgl dazu Art 21 I WKRL ›zur Kenntnis gebracht hat‹ – ist eine empfangsbedürftige (so zur Mängelanzeige/-rüge iSd § 377 HGB BGHZ 101, 49, 51 ff) geschäftsähnliche Handlung (Erman/Grunewald Rz 2). Sie muss Tatsachen so bezeichnen, dass darin Beanstandung der Mangelhaftigkeit liegt; die Erhebung oder Ankündigung von Ansprüchen ist nicht erforderlich (Staud/Matusche-Beckmann § 475 Rz 37). Ob eine Mitteilung weiterhin insgesamt und nicht nur für den konkreten Mangel Vertragsfreiheit schafft (dazu zur aF: LG Essen aaO; Erman/Grunewald Rz 2; aA Grüneberg/Weidenkaff Rz 7; MüKo/Lorenz § Rz 15), ist zw. Dagegen könnte der Wortlaut des I 2 Nr 1 angeführt werden, dieser spricht von einem ›bestimmte[n] Merkmal der Ware‹, sodass eben diesem Bestimmtheitserfordernis ausreichend Rechnung getragen werden muss und eine pauschale Abweichungsvereinbarung wohl nicht mehr genügen wird. Gleich steht Mitteilung eines Mangels durch den Verkäufer (Erman/Grunewald Rz 2 mwN). Nicht ausreichend ist die Mitteilung eines Dritten an den Unternehmer oder die auf anderem Wege erlangte Kenntnis des Unternehmers (HP/Faust Rz 17).
C. Nachteilige Abweichungen (Abs 1 S 1).
I. §§ 433–435, 437, 439–441 und 443 (Alt 1).
Rn 4
Jede Abweichung, auch außerhalb des Kaufvertrags (Erman/Grunewald Rz 5), ist nachteilig, die die Rechtsstellung des Verbrauchers verglichen mit den von I 1 Alt 1 zugunsten des Verbrauchers für zwingend erklärten Normen verschlechtert (BGH NJW 22, 686 [BGH 10.11.2021 - VIII ZR 187/20] Rz 39: Unterschreitung des gesetzlichen Standards). Dazu gehören reduzierte Rechtsfolgen – außerhalb von Schadensersatz (III) –, erhöhte materielle Anforderungen, zB beim Verschulden, zusätzliche formale Erfordernisse, zB Mängelrüge/-anzeige (vgl Erman/Grunewald Rz 5) sowie sonst jede Erschwerung für die Durchsetzung der Rechte des Verbrauchers (Nürnbg NJW 05, 3000, 3002 [OLG Nürnberg 23.08.2005 - 3 U 991/05] für abw Bezeichnung von ›Gefahrübergang‹ in Information). Auf nachteilige Abweichungen kann sich der Unternehmer auch dann nicht berufen, wenn der Verbraucher eine gleichwertige Kompensation erhält. Unwirksam ist auch eine Vereinbarung, wonach die Nachlieferung eines höherwertigen Modells iSd § 439 I von einer (anteiligen) Zuzahlung des Käufers abhängt (Höpfner/Schneck NJW 22, 1209, 1210). Die Reichweite der Regelung ist str:
1. Beschränkung auf Mängelrecht.
Rn 5
§ 433 und der in § 475 III 2 ausgeschlossene § 447 II sind Grundlage nicht nur für Mängelrechte, sondern auch für Ansprüche des Käufers wegen Nichtlieferung und Verzug. Allein darauf bezogene, also Mängelrechte nicht beeinträchtigende Vereinbarungen sind daher nicht durch I 1 beschränkt (Erman/Grunewald Rz 4). Diese Limitierung folgt aus der ausschl Regelung der Vertragswidrigkeit der Kaufsache in der WKRL, die mit dem zeitlichen Kriterium...