Rn 8
Zur Maßgeblichkeit und Sperrwirkung von negativen Beschaffenheitsvereinbarungen s § 434 Rn 24. I 2 bezieht sich nur auf abweichende, dh negative, Beschaffenheitsvereinbarungen, nicht auf für den Verbraucher positive oder neutrale Vereinbarungen (Rachlitz/Kochendörfer/Gansmeier JZ 22, 705, 708f). Während die bisherige Rechtslage keine expliziten Anforderungen an eine wirksame abweichende Vereinbarung stellte, führt die Neufassung zu einer deutlichen Verschärfung durch strenge Voraussetzungen im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs. Gem I 2 kann zulasten des Verbrauchers nur von den objektiven Anforderungen des § 434 III und des neu eingefügten § 475b IV abgewichen werden. Ursprünglich sollte auch eine Abweichung von § 475 V möglich sein, die Bezugnahme wurde jedoch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen, da dies in den entspr Vorschriften der WKRL nicht vorgesehen war (BTDrs 19/31116, 17). I 2 bezieht sich auf Sach- und Rechtsmängel, da die WKRL nicht zwischen Sach- und Rechtsmängeln differenziert. Im Einzelnen müssen die Voraussetzungen der Nr 1 und 2 erfüllt sein:
1. Kenntnis von den Abweichungen (Nr 1).
Rn 8a
Die Abweichung muss dem Verbraucher ›eigens‹ zur Kenntnis gebracht werden, und zwar, bevor dieser seine auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Erklärung abgibt. Was konkret unter dem Begriff zu verstehen ist, wurde nicht näher definiert. Zwar wird er im BGB (§ 632a I 6) bereits verwendet, jedoch kann aufgrund des völlig unterschiedlichen Regelungszusammenhangs keine inhaltliche Parallele gezogen werden. Die Gesetzesbegründung spricht jedenfalls von einem ›Mehr‹ im Vergleich zu sonstigen vorvertraglichen Informationspflichten, sodass die Nennung iRe Produktbeschreibung neben den übrigen Merkmalen nicht ausreicht (BTDrs 19/27424, 42), sondern eine eigenständige und ausdrückliche Information erforderlich ist. Das Inkenntnissetzen bzw die Möglichkeit der Kenntnisnahme der maßgeblichen Informationen muss ursächlich auf den Unternehmer zurückgehen; die Erlangung der Information durch Dritte oder ausschließlich wegen der Eigeninitiative des Verbrauchers genügt nicht (Schreier/Michels RDi 22, 281, 384f). Eine konkrete Beschreibung der Abweichung ist dabei nicht zwingend erforderlich; die Information, dass ein bestimmtes Merkmal von den objektiven Anforderungen ›abweichen kann‹ (sog ›Eventualhinweis‹) genügt (HP/Faust Rz 25; Schreier/Michels RDi 22, 381, 383 f; s.a. BTDrs 19/27434, 42). Der Hinweis auf eine ›mindere Qualität‹ der Ware genügt wohl nicht (Kirchhefer-Laufer/Rüsing JuS 23, 12, 14). Zulässig ist ein gemeinsamer Hinweis auf mehrere Abweichungen (so HP/Faust Rz 22). Das Inkenntnissetzen iSd Nr 1 ist regelmäßig durch die ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung nach Nr 2 (Rn 8b) erfüllt, hat aber insb dann eine eigenständige Bedeutung, wenn der Verbraucher seine Erklärung zuerst abgegeben hat (Schreier/Michels RDi 22, 381, 382). Bestimmte Formvorschriften enthält Nr 1 hingegen nicht, sodass der Informationsobliegenheit des Unternehmers auch formlos entsprochen werden kann (Lorenz NJW 21, 2065, 2073; Grüneberg/Weidenkaff Rz 6). Bzgl des maßgeblichen Zeitpunkts eines solchen Hinweises hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen die wörtliche Übernahme der unionsrechtlichen Regelung (Art 7 V WKRL: ›zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags‹) entschieden und auf die Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers abgestellt (zw mit Blick auf Vollharmonisierung, Art 4 RL). Dadurch soll dieser davor geschützt werden, dass der Unternehmer das Angebot des Verbrauchers abwartet und erst zeitgleich mit seiner Annahmeerklärung auf die Abweichung hinweist (BTDrs 19/27424, 42). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Inkenntnissetzen und der Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers wird nicht vorausgesetzt (aA HP/Faust Rz 23).
2. Ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung (Nr 2).
Rn 8b
Zusätzlich müssen die Abweichungen im Vertrag ›ausdrücklich und gesondert‹ vereinbart werden. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, dass der Verbraucher die Abweichung bewusst iR seiner Kaufentscheidung berücksichtigt. Er muss sich darüber im Klaren sein, dass die Beschaffenheit der fraglichen Kaufsache von den gesetzlichen objektiven Anforderungen abweicht. Dafür muss sie besonders hervorgehoben werden (BTDrs 19/27424, 42). Erforderlich ist eine räumliche Trennung (Herrler DNotZ 22, 491, 503). Nicht ausreichend sind: konkludente Vereinbarungen; Aufzählung neben zahlreichen anderen Vereinbarungen; Vereinbarungen im Formularvertrag u iRv AGB (aA HP/Faust Rz 28; Maibaum RNotZ 23, 193, 210 f; diff: Herrler DNotZ 22, 491, 503); ein vorausgefülltes (deaktivierbares) Kästchen auf Websites (BTDrs aaO). Möglich soll aber (im Online-Handel) eine ›Button-Lösung‹ sein, bei der der Verbraucher gesondert – aktiv – eine Schaltfläche betätigt (BTDrs 19/27424, 42; Zöchling-Jud GPR 21, 115, 120: vergleichbar mit Regelungen der VRRL). Bei mehreren Mängeln ist eine gemeinsame Auflistung iSe ›Mängelliste‹ zulässig (Schreier/Michels RDi 22, 381, 384). Eine besondere Hervorhebung durch die Platzierung, Schriftart, -größe oder -form...